Geburt einleiten, wenn der Geburtstermin überschritten ist?

Abwarten oder die Geburt künstliche einleiten? Wissenschaftler haben nun die Risiken beleuchtet
Normalerweise dauert eine Schwangerschaft 38 Wochen und zwei Tage. Die Natur will es aber oft anders. Manche Frauen bringen früher ihr Kind zu Welt, andere später. Ist der errechnete Geburtstermin überschritten, stellt sich die Frage, ob die Geburt künstlich eingeleitet werden soll. Auch wenn die Schwangerschaft normal verläuft, wird das Thema seit jeher kontrovers diskutiert.
Aufgeheizt wurde die Debatte, als Anfang des Jahres bekannt wurde, dass das Medikaments Cytotec (Wirkstoff Misoprostol) zum Teil zu Wehenstürmen mit akuter Gefahr für das Leben von Mutter und Kind führen kann. Jedenfalls wenn es nicht richtig angewendet wird. Andererseits gehen zu lange Schwangerschaften – ab zwei Wochen spricht man von einer Übertragung - auch mit Risiken einher, etwa mehr Totgeburten oder einer höheren Säuglingssterblichkeit.
Cochrane macht den Risiko-Check
Um Schwangeren und Ärzten mehr Klarheit zu geben bzw. die Risiken besser abwägen zu können, haben Wissenschaftler der Cochrane Stiftung deshalb ihre Übersichtsarbeit zum Thema aktualisiert. Der Review beruht nun auf 34 randomisierten kontrollierten Studien aus 16 verschiedenen Ländern, an denen insgesamt mehr als 21.500 Frauen teilnahmen, meist mit geringem Komplikationsrisiko. Die 34 Studien verglichen die Strategie einer Geburtseinleitung, die in der Regel nach 41 abgeschlossenen Schwangerschaftswochen (> 287 Tage) erfolgt, mit einer Strategie des „Beobachten und Abwartens“.
Einleitung senkt Risiken für Mutter und Kind
Das Ergebnis: Eine Einleitung der Geburt senkt die Risiken für Mutter und Kind. So kam es zu weniger Todesfällen im Zusammenhang mit der Geburt, wenn die Geburt nach der der 37. Schwangerschaftswoche eingeleitet wurde. Allerdings waren die absoluten Raten mit 0,4 gegenüber 3 Todesfällen pro 1.000 Geburten insgesamt klein.
Auch die Kaiserschnittrate war niedriger nach einer Geburtseinleitung - ohne dass dabei öfter andere Hilfsmittel wie Geburtszangen oder Saugglocke angewendet werden mussten. Außerdem mussten in dieser Gruppe weniger Neugeborene auf einer Neugeborenen-Intensivstation behandelt werden.
Bei anderen Komplikationen wie Dammrissen, Nachgeburtsblutungen oder Problemen beim Stillen gab es keine nennenswerten Unterschiede.
Eine wichtige Frage konnte der Cochrane Review nicht beantworten: Wann der beste Zeitpunkt für die Geburtseinleitung ist.
Originalarbeit: Middleton P, Shepherd E, Morris J, Crowther CA, Gomersall JC. Induction of labour at or beyond 37 weeks' gestation. Cochrane Database of Systematic Reviews 2020.
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