Jeder Vierte hat chronische Schmerzen

Chronischer Schmerz ist ein Teufelskreis. Als erfolgversprechend gilt eine fachübergreifende Therapie.
Ständig Schmerzen – und der Arzt findet nichts: 28 Prozent der Deutschen berichten davon, dass sie von wiederkehrenden Schmerzen betroffen sind. Bei sechs Millionen von ihnen sind die Beschwerden so stark ausgeprägt, dass Alltag und Lebensqualität beeinträchtigt sind. Hierauf weist die Deutsche Schmerzgesellschaft (DGSS) anlässlich des diesjährigen „Aktionstags gegen den Schmerz“ am 5. Juni hin. Mehr als 350 Arztpraxen, Apotheken, Kliniken und Pflegeeinrichtungen bundesweit informieren Betroffene an diesem Tag über Ursachen und Therapiemöglichkeiten. Die DGSS als wissenschaftliche Fachgesellschaft schaltet am Aktionstag eine kostenlose Telefon-Hotline, unter der Experten Patientenfragen rund um das Thema Schmerz beantworten.
Patienten-Hotline der Deutschen Schmerzgesellschaft am 5. Juni (9 bis 18 Uhr): 0800 18 18 120.
Akuter und chronischer Schmerz – zwei Welten
Die Wissenschaft unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Schmerztypen: dem akuten und dem chronischen. Der akute Schmerz ist ein Alarmsignal, dass an einer bestimmten Stelle etwas nicht stimmt und behandelt werden muss. Beispiele hierfür sind Zahnschmerzen, ein Knochenbruch beim Sport oder körperliche Überlastung. Akute Schmerzen sind eine lebenserhaltende und damit sinnvolle Reaktion des Körpers. Sie klingen in der Regel von selbst wieder ab, sobald die Schädigung beziehungsweise Ursache beseitigt oder geheilt ist.
Chronischen Schmerzen treten wiederkehrend oder anhaltend über einen Zeitraum von mindestens drei bis sechs Monaten auf – und werden damit zu einem bestimmenden Teil des Lebens. Sie warnen nicht mehr vor einer akuten Gefahr, sondern sind ein Indiz für eine länger dauernde oder wiederkehrende Überlastung. Rückenschmerzen sind die häufigste Form des chronischen Schmerzes. Sie führen seit Jahren bei den Anlässen für Arbeitsunfähigkeit und medizinische Rehabilitation die Statistiken an. Zu den Rückenschmerzen, die mit steigendem Lebensalter zunehmen, kommen dann oft auch noch Begleiterkrankungen wie Nackenschmerzen, Migräne oder Schlafstörungen.
Das Schmerzsystem des Körpers gerät aus dem Lot
Psychische und soziale Faktoren gelten als Hauptverursacher für den Schmerz im Körper ohne greifbaren körperlichen Grund. Neben aktuellen Stresssituationen können auch länger zurückliegende Lebensereignisse wie Unfälle, Gewalterfahrungen oder familiäre Probleme Einfluss auf unsere Stress- und Schmerzempfindlichkeit nehmen. Extrembelastungen und Dauerstress können dabei das gesamte schmerzleitende und -verarbeitende System des Körpers verändern: der Körper wird überempfindlich, selbst leichte Reize wie Berührungen können als Schmerz wahrgenommen werden. Dass der Körper laufend wehtut, aber der Arzt keine körperliche Ursache ausfindig machen kann, empfinden viele Patienten als verunsichernd und beunruhigend.
Mögliche Ursachen für chronischen Schmerz
- Überlastung im Alltag (Kinder, Beruf, Pflege, Haushalt)
- Konflikte in Ehe, Familie und Beruf
- ständige Über- oder Unterforderung im Beruf
- längere Phasen zurückgehaltender Trauer
- überspielte Wut nach Kränkungen
- „positive Nebenwirkungen“: Schmerz kann von unangenehmen Pflichten befreien.
Ganzheitliche Therapie statt Schmerztabletten
Wenn Schmerzen trotz leitliniengerechter Behandlung anhalten oder Patienten mehr als vier Wochen arbeitsunfähig sind, empfiehlt die Deutsche Schmerzgesellschaft eine interdisziplinäre Abklärung und Behandlung. „Zu einer guten und wirksamen Therapie gehört ein umfassendes Konzept, das neben Arzneimitteln auch nichtmedikamentöse Therapien berücksichtigt“, heißt es bei der Deutschen Schmerzgesellschaft. Wichtig sei die Aufklärung von Schmerzpatienten, damit sie wissen, wie sie sich am besten verhalten, um dem Schmerz entgegenzuwirken. Bei den therapeutischen Maßnahmen sollten laut DGSS verschiedene Berufsgruppen und Schmerzspezialisten zu Rate gezogen werden und zusammenarbeiten – wie Ärzte, Physiotherapeuten oder Psychologen. Zu den Behandlungsbausteinen können neben Medikamenten beispielsweise eine psychologische Beratung, Physiotherapie, Ergotherapie, ein Biofeedback und sportliche Aktivitäten gehören. Sich auf eigene Faust Schmerztabletten einzuwerfen oder sich zu viel Ruhe zu gönnen, löse das Problem auf Dauer nicht.
Grafik: Deutsche Schmerzgesellschaft (DGGS), Nobis/Lechner