Chronische Kopfschmerzen bei Medikamentenübergebrauch: Prophylaxe kann helfen

Bei Kopfschmerzen soll man mit Schmerzmitteln nicht zu lange warten - es aber auch nicht übertreiben
Viele Menschen in Deutschland leiden unter chronischen Kopfschmerzen. Als Grund dafür kommt auch ein übermäßiger Gebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln in Frage. Von einem Übergebrauch wird ausgegangen, wenn die Patienten an über 15 Tagen im Monat zu einfachen Analgetika wie Ibuprofen oder über 10 Tage im Monat zu Triptanen, Opioiden oder koffein- oder codeinhaltigen Kombinationsalgetika greifen. Epidemiologie, Verlauf und Therapiekonzepte wurden in einer Übersichtsarbeit von Medizinern um Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Seniorprofessur für Klinische Neurowissenschaften der Universitätsklinik für Neurologie in Essen, untersucht. Die Ergebnisse der selektiven Literaturrecherche wurden im „Deutschen Ärzteblatt“ veröffentlicht.
Viele Kopfschmerzpatienten neigen zu Medikamentenübergebrauch
Zwischen 25 und 50 Prozent aller Patienten mit chronischen Kopfschmerzen sollen einen Medikamentenübergebrauch betreiben, Frauen häufiger als Männer. Der Altersgipfel liegt zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr. Die Studienautoren betonen jedoch, dass im Einzelfall ein kausaler Zusammenhang zwischen der häufigen Einnahme von Schmerz- oder Migränemitteln und der Entwicklung des Krankheitsbildes schwer zu belegen ist. Bei einigen Patienten, die Schmerz- und Migränemittel häufig einnehmen, nimmt die Kopfschmerzfrequenz nicht zu.
Die Behandlung des Kopfschmerzes durch bzw. bei Medikamentenübergebrauch sollte den Studienautoren zufolge in drei Schritten erfolgen: Edukation und Beratung, Prophylaxe mit Topiramat, Amitriptylin oder Onabotulinumtoxin A und, falls dies keinen Erfolg bringt, eine Medikamentenpause, die ambulant, tagesklinisch oder stationär erfolgen kann. Erst vor kurzem ist zur Behandlung des Kopfschmerzes durch den Übergebrauch an Medikamenten auch eine neue Leitlinie erschienen.
Migräneprophylaxe hat sich als sinnvoll erwiesen
Wie wirkungsvoll die Prophylaxe gerade bei Migräne sein kann, hat eine große multinationale Studie mit 376 Probanden aus Europa und Südamerika gezeigt. Statt der Einnahme von Schmerz- und Migränemitteln beim akuten Schmerz erhielten die Teilnehmer eine Migräneprophylaxe. Wie sich zeigte, war nach sechs Monaten kein Medikamentenübergebrauch mehr festzustellen. Bei rund der Hälfte der Patienten hatte sich der chronische Kopfschmerz zu einem episodischen Kopfschmerz verbessert. Auch die Symptome von Depressionen sowie Angst hatten sich reduziert.
Ungeklärt ist allerdings die Frage, ob eine prophylaktische medikamentöse Therapie vor, während oder nach der Medikamentenpause begonnen werden sollte. Bis vor einigen Jahren war man der Auffassung, dass eine Migräneprophylaxe nicht wirksam sei, solange ein Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln besteht. Diese Annahme widerlegten zwei Studien mit Topiramat. Darin war Topiramat in einer Dosis zwischen 50 und200 mg pro Tag bei Patienten mit chronischer Migräne und Medikamentenübergebrauch gegenüber Placebo signifikant überlegen.
Patienten müssen bei Medikamentenpause gut überwacht werden
Bei einer Medikamentenpause verstärken sich bei vielen Patienten die Kopfschmerzen zunächst. Teilweise kann es zusätzlich zu ausgeprägten vegetativen Funktionsstörungen wie Übelkeit und Erbrechen, Unruhe, Angst und Schlafproblemen kommen. Den gesichteten Studien zufolge werden Flüssigkeitsersatz, Analgetika, Antipsychotika in antiemetischer Indikation und das in Deutschland nicht zugelassene Dihydroergotamin (DHE) empfohlen. Bei Schmerzspitzen in der Medikamentenpause mit vorherigem Triptanübergebrauch kann Acetylsalicylsäure in intravenöser Form gegeben werden, so die Ergebnisse der Meta-Analyse.
Wie sinnvoll eine Medikamentenpause ist, scheint vor allem von der Art des benutzten Wirkstoffs abzuhängen. Werden Triptane oder Analgetika alleine im Übermaß angewendet, ist die Symptomatik meist gut beherrschbar. Eine Medikamentenpause von Ergotaminen, der kombinierte Übergebrauch von Triptanen und Analgetika sowie von koffeinhaltigen Kombinationsanalgetika führen hingegen meist zu einer verlängerten Symptomatik. Die konsequente antiemetische Therapie, gelegentlich auch der kurzzeitige Einsatz von Neuroleptika, haben sich dabei den Studien zufolge im klinischen Alltag bewährt.
Bei Opioiden, insbesondere in nicht retardierter Form, kann sich eine echte Entzugssymptomatik mit Zeichen der vegetativen Entgleisung entwickeln. Opioide und Barbiturate sollten daher nicht abrupt abgesetzt, sondern schrittweise reduziert werden. Unter Umständen können Tachykardie und Blutdruckanstieg durch Clonidin unter stationärer Überwachung therapiert werden.
Medikamentenpause nicht bei allen Patienten wirksam
Das Fazit der Autoren: Patienten mit einem Hang zum Übergebrauch an Kopfschmerzmitteln sollten frühzeitig identifiziert werden, um eine Chronifizierung der Kopfschmerzen zu verhindern. Allerdings, so die Autoren, ist die Kausalität von Medikamenteneinnahme und Kopfschmerzzunahme schwer nachzuweisen. Sie monieren, dass longitudinale Studien mit größeren Patientenzahlen zu der Thematik weitgehend fehlen. Zudem profitiert ein Teil der Betroffenen nicht von einer Medikamentenpause.
Medikamentenübergebrauch gilt als einer von zahlreichen Risikofaktoren der Chronifizierung, deren Gewichtung allerdings individuell unterschiedlich sein dürfte. Das werde beim Konzept der Medikamentenpause nicht ausreichend berücksichtigt, so die Autoren. Vor allem für Patienten, deren Kopfschmerz sich auch durch eine Medikamentenpause nicht verbessere, sei die Entwicklung neuer Therapien notwendig.
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