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Berliner Apothekerin fordert: Cannabis-Abgabe über Apotheken – aber in separaten Shops

Samstag, 27. November 2021 – Autor:
Mit der Bildung der Ampel-Koalition rückt die „kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken“ in greifbare Nähe. Aber wie soll oder könnte das aussehen? Melanie Dolfen gehörte zu den ersten Apothekern in Deutschland, die eine Ausnahmegenehmigung für die Abgabe von Cannabis als Arzneimittel erhielten. Sie fordert: Abgabe über Apotheken – aber in getrennten „Cannabis-Stores“.
Melanie Dolfen, Apothekerin aus Berlin.

Melanie Dolfen, Expertin für Medizinal-Cannabis und Inhaberin der „BezirksApotheke" in Berlin-Friedrichshain, spricht sich für eine Legalisierung von Cannabis über Apotheken aus. – Foto: BezirksApotheke

Den Schwarzmarkt austrocknen. Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Dealern und Polizei beenden und Polizei und Justiz entlasten. Den Konsum durch zu junge Menschen verhindern (wie beim Alkohol gegen Ausweis im Supermarkt). Und die Gesundheit schützen, indem nur Stoff in kontrollierter Qualität konsumiert wird – und nicht länger solcher, der etwa mit Haarspray gestreckt oder mit Bleistaub beschwert ist. Das sind wichtige Ziele der wahrscheinlichen Legalisierung von Cannabis durch die neue Ampel-Koalition.

Konsum von Marihuana: Trotz Repression in der Mitte der Gesellschaft angekommen

Dahinter steht die Erkenntnis, dass die bisherige repressive Linie gescheitert ist. Dass der Konsum von Marihuana in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist und am besten durch eine akzeptierende Drogenpolitik gesteuert werden kann. Nicht zuletzt wird der Staat – wie beim Zigarettenkonsum auch – zusätzliche Steuern einnehmen. Aber mit der – nun doch etwas überraschend anstehenden – Legalisierung stellt sich plötzlich die Frage: Wie lässt sich die Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Vergnügungszwecken seriös und sicher organisieren?

Cannabis-Läden: 50 Jahre nach den Holländern bald auch in Deutschland

Amsterdam ist bekannt für seine „Coffeeshops“ (die es dort aus ähnlicher politischer Motivation gibt – allerdings schon seit Mitte der 1970er-Jahre). In Deutschland verbanden die bisherigen Oppositionsparteien FDP, Grüne und Linke ihre Forderung nach einer Legalisierung auch mit dem Vorschlag, Genuss-Cannabis über Apotheken zu vertreiben. Aber die Frage ist delikat.

In die Debatte darum hat sich jetzt die Berliner Apothekerin Melanie Dolfen eingeschaltet. Sie gehörte zu den ersten Apothekeninhabern in Deutschland, die eine Ausnahmegenehmigung für die Abgabe von Cannabis in Arzneimittelform erhielten. Mit ihrer „Bezirks Apotheke“ im Stadtteil Friedrichshain betreibt sie eine von nur vier Schwerpunkt-Apotheken für Medizinal-Cannabis, die es bisher bundesweit gibt.

„Wir haben das Know-how und das seriöse Umfeld für Prüfung und Beratung"

„Ich bin unbedingt dafür, die Cannabis-Legalisierung über Apotheken laufen zu lassen“, sagt die Berliner Apothekerin. „Wir haben das Know-how und das seriöse Umfeld für Prüfung, Produkte und Beratung.“ Mit den Corona-Testcentern hätten die Apotheken gezeigt, wie schnell sie auf eine neue Situation reagieren könnten. Mit einer angemessenen Vorlaufphase seien sie in der Lage, auch für eine kontrollierte Cannabis-Legalisierung  Strukturen zeitnah aufzubauen. „Allerdings sollten Apotheken, die an dieser Legalisierung teilhaben wollen, verbindlich eigene Cannabis-Stores einrichten müssen", fordert Apothekerin Dolfen.

Klare Trennung zum Schutz der Medizin-Cannabis-Patienten

Die von ihr geforderte klare Trennung der Abgabe begründet die Cannabis-Expertin mit einer ungerechtfertigten Diskreditierung von Medizinal-Cannabis und dessen hart erkämpfter Anerkennung, aber auch mit einer nach wie vor verbreiteten Ängstlichkeit von Ärzten, es zu verschreiben, und der Zaghaftigkeit von Apothekern, es zu verkaufen – aus falscher Angst um ihren guten Ruf. 

„Allein die Tatsache, dass die Krankenkassen in Deutschland jedes Cannabis-Rezept genehmigen müssen! Wie viel Vorurteile und Misstrauen gegen Patienten und Ärzte stecken in dieser Vorschrift?“, sagt Dolfen. Eine immer wieder zu hörende polemische Bemerkung lautet, Medizin-Cannabis aus der Apotheke sei quasi „ein Trip auf Kassenkosten“ – was der Faktenlage nicht entspricht. Es kommt erst zum Einsatz, wenn sich alle anderen Optionen als zahnlos erwiesen haben –  etwa bei der Behandlung von sogenannten Cluster-Kopfschmerzen, die zu den schlimmsten Schmerzerfahrungen zählen, die Menschen überhaupt machen können.

Medizin- und Genuss-Cannabis: Zwei Substanzen – zwei Welten

Der Unterschied zwischen Medizinal-Cannabis und Freizeitkonsum, an dem so viel hängt, müsse erhalten bleiben, so die Berlinern Apothekerin weiter. „Was wir an Wissen und Aufklärung über medizinisches Cannabis erreicht haben, darf dabei nicht unter die Räder kommen. Pop und Apotheke passen nicht. Hier berät eine Apothekerin einen Tumorpatienten, daneben besprechen Party people die Reize der Sorte ‚Bakerstreet‘? Und kurz nach Mitternacht steht eine Schlange halb-stoned am Bereitschaftsschalter? Medizinisches Cannabis ist Arznei, die Kranken hilft. Die Droge für den Freizeitkonsum ist etwas völlig anderes, eine völlig eigene Welt.“

Hauptkategorie: Gesundheitspolitik
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