Apothekenpersonal mehrheitlich für Legalisierung von Cannabis

Immer mehr junge Menschen konsumieren Cannabis – trotz staatlicher Repressionen. Die möglichen Gesundheitsgefahren bei Schwarzmarkt-Ware sind ein Grund für viele Apotheker, eine kontrollierte Abgabe von „Genuss-Cannabis" zu befürworten. – Foto: Catalin Pop
Wenn man ein Problem mit Polizei und Repressionen über Jahrzehnte nicht in den Griff bekommt, kann man es dadurch lindern, dass man es selbst in die Hand nimmt und kanalisiert. Das von der Drogenmafia durchsetzte und erschütterte Mexiko ist im April diesen Weg gegangen und hat den Konsum von Cannabis legalisiert: Raus aus der Illegalität, rein ins Steuersystem. Jetzt kann der Staat die Abgabe an Konsumenten zudem selbst überwachen und steuern.
DHS: „Repressionspolitik gegen Cannabis gescheitert“
Obwohl selbst die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) feststellt, dass die Repressionspolitik gegen Cannabis gescheitert sei, obwohl der Konsum von Cannabis weit verbreitet ist und auf dem Schwarzmarkt besorgte Drogen für die Käufer ein Gesundheitsrisiko darstellen, zeichnet sich in Deutschland noch immer keine politische Mehrheit für eine kontrollierte Abgabe von Cannabis ab. Anders ist dies offenbar beim Personal der deutschen Apotheken.
Apothekenpersonal: 64 Prozent für Legalisierung
In einer Befragung des Berliner Marktforschungsinstituts Aposcope sprachen sich 64 Prozent der Teilnehmer für eine Legalisierung von „Genuss-Cannabis" aus. Innerhalb der vergangenen zwölf Monate stieg die Zustimmung im Apothekenteam für die Legalisierung von Cannabis in Deutschland um 10 Prozentpunkte – von 54 auf 64 Prozent. In der Berufsgruppe der Pharmazeutisch-Technischen Assistent (PTA) stimmen sogar 70 Prozent für eine Legalisierung von „Genuss-Cannabis". Für die Studie „Zukunftsmarkt Medizinisches Cannabis - Insights aus der Apotheke 2021" wurden im Juni und Juli insgesamt 500 verifizierte Apotheker und PTAs online befragt.
Abgabe „nur kontrolliert und reglementiert“
Die Beschäftigten von Apotheken stehen dabei keineswegs auf dem Standpunkt, dass Cannabis völlig freigegeben werden sollte. Vielmehr solle die Abgabe kontrolliert und reglementiert erfolgen. Fast alle Befürworter sind für eine Legalisierung mit Einschränkungen, wie die ausschließliche Abgabe über Apotheken (83 Prozent), die Festlegung von Höchstmengen (76 Prozent) und Altersbeschränkungen (71 Prozent).
Bundestag zuletzt 2020 gegen Legalisierung
Zuletzt im Oktober 2020 hatte der Bundestag mit Mehrheit einen Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen für ein „Cannabis-Kontrollgesetz“ abgelehnt. Cannabis gilt als die am häufigsten konsumierte illegale Droge in Deutschland. Schätzungen zufolge konsumieren allein 3,1 Millionen Erwachsene Cannabis. Auch immer mehr junge Menschen konsumieren Cannabis. Dem Gesetzentwurf zufolge stieg der Anteil der Cannabis-Nutzer unter Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren binnen zehn Jahren von 6,7 auf 8,8 Prozent. Von den jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 25 Jahren haben demnach sogar 35,5 Prozent schon Cannabis konsumiert.
Unterschied Genuss- und Medizin-Cannabis
Das „Genuss-Cannabis“ ist zu unterscheiden vom „Medizinal-Cannabis“. Cannabis-Blüten oder -extrakt zu medizinischen Zwecken können bestimmte Patienten seit März 2017 auf Rezept und als Kassenleistung erhalten. Die Medikamente sollen bei schwerwiegenden Erkrankungen dann zum Einsatz kommen, wenn andere Therapiekonzepte versagen. Zu den möglichen Anwendungsgebieten gehören Schmerz-Erkrankungen wie Cluster-Kopfschmerzen, Übelkeit bei Krebs-Erkrankungen oder schmerzhafte Krämpfe bei Multipler Sklerose. Seit Inkrafttreten des Cannabis-Gesetzes vor vier Jahren haben sich die Verordnungen von medizinischem Cannabis in Deutschland mehr als verdreifacht.
Medizin-Cannabis: Offizielle Agentur überwacht Verkauf
Als pharmazeutischer Unternehmer und Großhändler tritt in Deutschland die beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angesiedelte „Cannabis-Agentur“ auf. Sie ist für den kontrollierten Anbau der medizinischen Cannabisblüten verantwortlich, die Ernte, die Verarbeitung, die Qualitätsprüfung, die Lagerung, die Verpackung und die Abgabe an Apotheken.
Fast 20.000 Apotheken: Erfahrung mit Medizin-Cannabis
Mehr als 19.000 Vor-Ort-Apotheken in Deutschland haben der aktuellen Marktanalyse von Aposcope zufolge bereits Erfahrungen bei der Belieferung von Medizinal-Cannabis-Rezepten gemacht. Die größten Herausforderungen bei der Bearbeitung von Cannabis-Rezepten sehen die dort Beschäftigen Fachangestellten bei folgenden Punkten:
- Abrechnung/Retaxierung (61 Prozent)
- fehlerhafte ärztliche Verordnungen (60 Prozent)
- hoher Aufwand rund um die Abgabe (59 Prozent).