
Schätzungen zufolge zeigt etwa ein Prozent aller Menschen autistische Züge – Foto: ©Photographee.eu - stock.adobe.com
Autismus gibt es in den verschiedensten Formen und Ausprägungen. Gemeinsam aber ist den meisten Autisten ein starres Festhalten an gewohnten Verhaltensweisen, Beeinträchtigungen im Sozialverhalten sowie motorische Auffälligkeiten. Besondere Stärken weisen Autisten hingegen häufig in den Bereichen Gedächtnis und Aufmerksamkeit auf. Oft nehmen sie Dinge war, die anderen gar nicht auffallen, und sind auf ganz bestimmten Gebieten besonders begabt. Von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird Autismus als tiefgreifende Entwicklungsstörung definiert, die zu einer unheilbaren Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsstörung des Gehirns führt. Doch nicht alle Betroffenen oder deren Angehörigen unterstützen diese Definition.
Autismus als Entwicklungsphänomen
Bezweifelt wird die Definition von Autismus als „Störung“ zum Beispiel von Nick Walker, Autismusforscher und Professor für Psychologie am California Institute of Integral Studies. Walker, der selbst autistisch ist, erklärt in dem Buch „Die wirklichen Experten: Lektüren für Eltern autistischer Kinder“, das Spezifische an autistischen Gehirnen sei, dass sie durch einen besonders hohen Grad an synaptischer Konnektivität und Reaktionsvermögen gekennzeichnet sind. „Das führt dazu, dass die subjektive Erfahrung der autistischen Personen intensiver und chaotischer ist als die nicht-autistischer Personen: Sowohl auf sensorisch-motorischer als auch auf kognitiver Ebene neigt der autistische Verstand dazu, mehr Informationen aufzunehmen.“
„Das sensorische Erleben eines autistischen Kindes ist auf der Welt intensiver und chaotischer als das eines nicht-autistischen Kindes, und die beständige Aufgabe, diese Erfahrungen zu steuern und einzubeziehen, beansprucht somit mehr Aufmerksamkeit und Energie des autistischen Kindes“, so der Experte. Dies bedeute, dass das autistische Kind weniger Aufmerksamkeit und Energie zur Verfügung hat, um sich auf die Subtilität der sozialen Interaktion zu konzentrieren.
Nach Walkers Ansicht führen die Schwierigkeiten, den sozialen Erwartungen von Nicht-Autisten zu entsprechen, häufig zu gesellschaftlicher Ablehnung. „Aus diesem Grund wurde Autismus häufig als eine Reihe von ‘sozialen und kommunikativen Defiziten‘ missverstanden von denen, die sich nicht bewusst sind, dass die sozialen Herausforderungen, mit denen sich autistische Menschen konfrontiert sehen, nur Nebenprodukte der intensiven und chaotischen Natur der autistischen sensorischen Wahrnehmung und kognitiver Erfahrungen sind“, so der Autismuswissenschaftler.
Welt-Autismus-Tag soll Vorurteile abbauen
Walker wendet sich auch gegen den gängigen Begriff der „Behinderung“ für autistische Menschen. Nach seinem Verständnis entstehen „Behinderungen“ dadurch, dass unsere Gesellschaft nicht für die speziellen sensorischen, kognitiven, entwicklungsbezogenen und sozialen Bedürfnisse autistischer Menschen gestaltet worden ist.
Um die Öffentlichkeit für das Thema Autismus zu sensibilisieren und Vorurteile abzubauen, wurde im Jahr 2007 durch die Vereinten Nationen beschlossen, jedes Jahr am 2. April den Welt-Autismus-Tag zu begehen. An diesem Tag soll über das Phänomen Autismus infomiert werden. Zudem soll darauf hingewiesen, wie wichtig die Früherkennung ist, um Betroffenen und ihren Familien zu helfen.
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