Zwei neue Behandlungsansätze bei schwerer Neurodermitis

Neurodermitis: An der chronisch-entzündlichen Erkrankung der Haut leiden in Deutschland etwa 3,5 Millionen Menschen. Viele davon sind Kindern. – Foto: AdobeStock/Astrid Gast
Schuppen, Entzündungen und rote Flecken auf der Haut, Trockenheit und Juckreiz: Dies sind typische Symptome, mit denen Neurodermitis-Patienten zu kämpfen haben. Rund 3,5 Millionen Menschen in Deutschland sind von dieser chronisch-entzündlichen Hauterkrankung betroffen – besonders viele davon sind Kinder. Für schwerere Fälle stehen jetzt zwei neue Medikamententypen zur Verfügung, die beides in sich vereinigen sollen: eine hohe Wirksamkeit – und eine gute Verträglichkeit: spezifische Antikörper und sogenannte kleine Moleküle. Darauf weisen die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) und der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) anlässlich des Welt-Neurodermitis-Tages am 14. September hin.
Schwere Neurodermitis: Schlaflose Nächte, Diskriminierung am Tag
Was bedeutet Neurodermitis im Alltag für die Betroffenen? „Die Symptome können bei einer schweren Ausprägung die Lebensqualität der Betroffenen massiv mindern“, sagt Ralph von Kiedrowski, Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen (BVDD). „Nachts stören Juckreiz und Schmerzen den Schlaf und die sichtbaren Hautveränderungen werden von manchen im sozialen Umfeld als ‚abstoßend‘ wahrgenommen, was zu einer Stigmatisierung führen kann.“
Was tun bei leichter Neurodermitis?
Neurodermitis (fachsprachlich: atopische Dermatitis/„AD“, atopisches Ekzem) kann verschiedene Dimensionen haben. Bei eher milden Formen kann sie gut mit äußerlich wirkenden („topischen“) Medikamenten behandelt werden. Hierzu zählen Cremes und Lotionen, die feuchtigkeitsspendend und rückfettend wirken, die Schutzfunktion der Haut verbessern und den Juckreiz lindern, indem sie leicht betäubend wirken (Wirkstoff: Polidocanol).
Medikamentöse Behandlung bisher durch Immunsuppresiva
Ist die Neurodermitis mittelschwer bis schwer und die topische Behandlung nicht erfolgreich, können „systemische“, also innerlich wirkende medikamentöse Therapien nötig werden. Zur Behandlung einer schweren atopischer Dermatitis setzen Ärzte auf Immunsuppressiva. Diese die Immunantwort der Körper dämpfenden Medikamente sollen die akuten Entzündungsprozesses abschwächen. Bei allen Erfolgen könnte diese Therapievariante aufgrund von Nebenwirkungen aber nur zeitlich begrenzt zum Tragen kommen, sagt Michael Hertl, Präsident der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) und Direktor der Klinik für Dermatologie am Universitätsklinikum Marburg.
Neurodermitis: „In die Therapie ist Bewegung gekommen“
In jüngster Zeit ist laut DDG aber „Bewegung in das Behandlungsspektrum gekommen“. Die Fachgesellschaft spricht von einer „neuer Ära“, die vor allem durch Wirkstofftypen bestimmt wird: antikörperbasierte Therapien (sogenannte Biologika, die aber als sehr kostspielig gelten); und JAK-Hemmer (sogenannte kleine Moleküle).
Neue Neurodermitis-Medikamente/1: Antikörper-Therapie
Der Wirkstoff „Dupilumab“ ist als erstes Biologikum zur Behandlung von mittelschweren bis schweren Verläufen zugelassen, außerdem für Jugendliche und sogar Kinder ab sechs Jahren. Bei mindestens 60 Prozent der Patienten wirke das Präparat sehr gut, sagt Dermatologe Hertl. Auch wenn man nicht von einer Heilung sprechen könne, so seien die Reduktion des Juckreizes, die Verbesserung des Hautbildes und das verbesserte Schlafvermögen ein großer Erfolg. Im Sommer 2021 hat auch ein zweiter Wirkstoff die Zulassung erhalten: Tralokinumab. Weitere sind in Entwicklung.
Mögliche Nebenwirkungen: entzündliche Veränderungen am Auge.
Einnahmeform: alle zwei Wochen mittels Fertig-Pen oder Fertigspritze.
Neue Neurodermitis-Medikamente/2: JAK-Inhibitoren
Ein großes Potenzial bei der Behandlung von Neurodermitis trauen Experten auch den sogenannten JAK-Inhibitoren zu. Hier wurde der Wirkstoff Baricitinib Ende 2020 für Erwachsene zugelassen. JAK-Hemmer sind laut DDG kleine Moleküle, die schnell wirken, Entzündungsprozesse wirksam hemmen und den Juckreiz reduzieren. Im Unterschied zu den Biologika sind sie nicht auf einzelne Botenstoffe zugeschnitten, sondern hemmen die Signalweiterleitung in der Zelle mit dem Effekt, dass die Entzündung abklingen kann.
„Der Vorteil der JAK-Inhibitoren ist, dass wir die Inhibition schrittweise modulieren und Wirkung und Nebenwirkungen steuern können“, sagt Tilo Biedermann, Direktor der Klinik für Dermatologie der Technischen Universität München. Zwei weitere Wirkstoffe sind beziehungsweise werden demnächst zugelassen (Upadacitinib, Abrocitinib).
Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen: Entzündungen der oberen Atemwege, Kopfschmerzen, erhöhte Werte der Kreatin-Kinase (Kreatin: Enzym für den Energiestoffwechsel der Muskelzellen).
Einnahmeform: Tabletten
Neue Wirkstoffe inzwischen Bestandteil der Behandlungs-Leitlinien
Laut DDG sind sich Dermatologen einig, dass diese neuen therapeutischen Optionen dann in Betracht kommen, wenn eine äußerliche Behandlung bei mittelschwerer bis schwerer Neurodermitis nicht (mehr) zu einem spürbaren Erfolg führt. „Die Nachweise über die Effektivität der neuen Medikamente liegen vor“, heißt es bei der DDG. Im vergangenen Jahr wurde dieser systemische, also medikamentös-innerliche Ansatz, in die offiziellen Behandlungsempfehlungen („Leitlinie Neurodermitis“) aufgenommen.