Zecken: FSME-Gefahr ihn höheren Lagen nimmt zu

Im Haupt-Risikogebiet Süddeutschland sind 2020 die FSME-Zahlen zum Teil dramatisch angestiegen. Auffällig war vor allem der Anstieg nach dem Kontakt mit Zecken in höheren Lagen. – Foto: AdobeStock/Heiko Barth
Im ersten Jahr der Corona-Pandemie ist es in den Schlagzeilen ein bisschen untergegangen: 704 Menschen waren 2020 in Deutschland von Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME) betroffen, einer durch Zeckenbisse übertragenen Form der Hirnhautentzündung. Das ergibt sich aus Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI). Es ist der höchste Wert, seit FSME im Jahr 2001 zur meldepflichtigen Krankheit wurde. Experten rechnen langfristig mit einer steigenden Infektionsgefahr – auch außerhalb des bekannten Risikogebiets Süddeutschland.
FSME-Fälle 2020: Baden-Württemberg vorne
Auf Höhe der deutschen Mittelgebirge zieht sich quasi eine Grenze durch Mitteleuropa. Südlich dieser gedachten Linie sind im Jahr 2020 die FSME-Zahlen zum Teil dramatisch angestiegen. „In den Jahren 2018 und 2020 wurden die meisten FSME-Fälle in Baden-Württemberg gezählt, während im Jahr 2019 die meisten FSME-Fälle aus Bayern gemeldet wurden“, berichtete Rainer Oehme vom Landesgesundheitsamt in Stuttgart. Doch nicht in allen Risikogebieten seien die Zahlen angestiegen: „Betroffen sind vor allem Naturherde, die in höheren Lagen angesiedelt sind, während andere Naturherde nur wenige und manchmal sogar gar keine Fälle ausweisen.“
„FSME auch in den nördlicheren Gebieten auf dem Vormarsch“
„Insgesamt beobachten wir überwiegend eine Wanderung der FSME von Ost nach West, aber wie man sieht, ist der Krankheitserreger ebenfalls in den nördlicheren Bundesländern auf dem Vormarsch“, sagt Ute Mackenstedt, Zeckenexpertin an der Universität Hohenheim. „Eine Rolle spielt dabei sicherlich auch der Klimawandel.“
169 Kreise sind FSME-Risikogebiete
Nach offiziellen Zahlen des Robert-Koch-Instituts (Stand Januar 2021) besteht ein Risiko für eine FSME-Infektion vor allem in Bayern und Baden-Württemberg, in Südhessen, im südöstlichen Thüringen und in Sachsen. Einzelne Risikogebiete in Insellage befinden sich zudem in Mittelhessen, im Saarland, in Rheinland-Pfalz und in Niedersachsen. In diesem Jahr sind fünf weitere Landkreise zum FSME-Risikogebiet erklärt worden. Drei davon erweitern jetzt das seit Jahren bekannte süddeutsche Risikoareal in Richtung Norden, einer liegt mittendrin. Als erster Kreis in Sachsen-Anhalt ist in diesem Jahr der Stadtkreis Dessau-Roßlau hinzugekommen. Er grenzt nicht an bestehende Risikogebiete und ist somit nach dem Landkreis Emsland in Niedersachsen das zweitnördlichste Einzel-Risikogebiet für FSME. Insgesamt sind derzeit 169 Kreise deutschlandweit als FSME-Risikogebiete klassifiziert.
Die fünf neuen FSME-Risikogebiete (von Süd nach Nord):
- Landkreis Dillingen an der Donau (Bayern)
- Landkreis Fulda (Hessen)
- Landkreis Weimarer Land (Thüringen)
- Landkreis Mittelsachsen (Sachsen)
- Stadtkreis Dessau-Roßlau (Sachsen-Anhalt)
FSME: Das sind die Risikogebiete in Europa
Als FSME-Risikogebiete in Europa nennt das Robert Koch-Institut keineswegs alle Länder südlich von Deutschland. Spanien und Portugal beispielsweise werden nicht als FSME-Risikogebiete genannt. Riskogebiete für die Infektion mit dem FSME-Erreger sind laut Robert Koch-Institut "in Österreich, in der Schweiz, in Polen, in Tschechien und in der Slowakei, in Nordeuropa in den baltischen Ländern, Süd- und Mittelschweden, an der Südküste Norwegens und Finnlands und in Teilen Dänemarks (sporadisch auf Seeland, endemisch auf der Insel Bornholm) und im europäischen Teil Russlands sowie in Südosteuropa in Ungarn, Kroatien, Slowenien und Albanien." Niedrige FSME-Inzidenzen bzw. Einzelfälle sind bekannt aus Frankreich (Elsass), Italien (Trentino), England und den Niederlanden.
Infektionsgefahr nach Zeckenstich bei 1:100 bis 1:50
Die FSME-Erreger werden durch europäische Zecken wie den europäischen Holzbock, aber auch die Auwaldzecke übertragen. Nach Angaben des RKI liegt in den Risikogebieten die Wahrscheinlichkeit einer FSME-Infektion nach einem Zeckenstich bei 1:100 bis 1:50.
Habe ich FSME? Symptome und Verläufe
Hat man sich mit FSME infiziert, treten zehn Tage nach dem Zeckenbiss zunächst grippeähnliche Symptome auf. Bei rund einem Drittel der Patienten kommt es nach einer vorübergehenden Besserung zu einem erneuten Fieberanstieg und einer zweiten Krankheitsphase.
Bei leichten Verläufen klagen die Patienten vorwiegend über starke Kopfschmerzen; bei schwereren sind auch Gehirn und Rückenmark beteiligt. Zu den Symptomen gehören Koordinationsstörungen, Lähmungen, Sprach- und Sprechstörungen sowie Bewusstseinsstörungen und epileptische Anfälle. Für circa ein Prozent der Patienten endet die Krankheit tödlich. Ist die Krankheit erst einmal ausgebrochen, können nur die Symptome therapiert werden. Dabei existiert gegen FSME eine Schutzimpfung – anders als bei der zweiten bekannten durch Zecken übertragenen Infektionskrankheit: der Lyme-Borreliose. Hier wird allerdings aktuell ein Impfstoffkandidat klinisch getestet.
FSME: Nur 20 Prozent sind geimpft, obwohl die Kasse zahlt
„Mit einer Impfung kann man sich gut schützen. Vor allem in den Risikogebieten könnten dadurch die Krankheitszahlen drastisch gesenkt werden", sagt Gerhard Dobler, Leiter des Nationalen Konsiliarlabors für Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr. „Leider sind in Deutschland schätzungsweise nur rund 20 Prozent der Bevölkerung geimpft, und die Tendenz ist eher stagnierend. Dabei wird die Impfung von den Krankenkassen bezahlt und ist gut verträglich.“ Für spontan Verreisende: Ein FSME-Schnellschutz kann innerhalb von 14 Tagen aufgebaut werden.