Warum schwillt das Gehirn nach einem Schlaganfall an?

Nach einem Schlaganfall kann das Gehirn anschwellen und die Blut-Hirnschranke zusammenbrechen. Der Schaden wird dann immer größer
Lähmungserscheinungen, schiefer Mundwinkel, Unruhe und undeutliche Sprache – mit diesen Symptomen kommen in Deutschland jedes Jahr rund 270.000 Menschen in die Notaufnahme. Wird die Diagnose ischämischer Schlaganfall gestellt, gilt es, die Durchblutung des Gehirns so schnell wie möglich wiederherzustellen. Dies geschieht in der Regel mit einer Lyse, also einem Medikament, das den Thrombus auflöst, (sofern das Zeitfenster von vier Stunden noch nicht überschritten ist.) In bestimmten Fällen kann das Blutgerinnsel mit einer Thrombektomie mechanisch entfernt werden.
Das volle Ausmaß des Schlaganfalls zeigt sich erst Stunden später
Bestenfalls bilden sich anfängliche Symptome nach einer Weile zurück. Doch bei einigen Patienten verschlimmern sich die neurologischen Ausfallerscheinungen noch. Ausgerechnet die Wiederdurchblutung des Gehirns scheint daran schuld zu sein, wie Forscher der Universitäten Maastricht und Dusiburg/Essen nun in einer aktuellen Arbeit berichten. Demnach führt die Reperfusion dazu, dass die Blut-Hirn-Schranke zusammenbricht.
Blut-Hirn-Schranke wird durch freie Sauerstoffradikale zerstört
Wie es zu diesem gefährlichen Zusammenbruch der Blut-Hirnschranke kommt, war bisher unbekannt. Allerdings wusste man, dass als erstes Anzeichen der Calcium-Spiegel im Blut stark ansteigt. Die Forscher haben deshalb nach einem Enzym gesucht, das durch Calcium aktiviert wird und sind dabei auf NOX5 aufmerksam geworden. Bislang wurde es nur wenig untersucht, weil es in Mäusen normalerweise nicht vorkommt.
Die Erkenntnis: Je stärker NOX5 aktiv ist, desto mehr freie Sauerstoffradikale entstehen, die in hoher Konzentration das umliegende Gewebe schädigen. Die freien Sauerstoffradikale lassen zudem die Blut-Hirn-Schranke zusammenbrechen, die das Gehirn vor Blutbestandteilen wie Immunzellen schützt. In der Folge bilden sich Entzündungen und Ödeme, also Schwellungen im Gehirn. So gehen nach und nach weitere Hirnzellen verloren – außerhalb des eigentlichen Kerngebiets - und das volle Ausmaß des Schlaganfalls wird oft erst nach Stunden oder Tagen manifest.
Hoffnung auf NOX5 als Schlüsselenzym
Schon länger versuchen Mediziner, die Entwicklung von Sauerstoffradikalen zu verhindern, um das Hirn zu schützen. „Man versucht zum Beispiel die Enzyme zu hemmen, die die Sauerstoffradikale entstehen lassen“, so Prof. Dr. Christoph Kleinschnitz, Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Essen. „Außerdem werden Antioxidantien als Radikalfänger eingesetzt, die die reaktiven Sauerstoffspezies außer Gefecht setzen“. Beides hilft zwar, aber eben nicht immer kann der Körper so die Blut-Hirn-Schranke aufrechterhalten.
Mit der Entdeckung von NOX5 hoffen die Wissenschaftler nun ein Schlüsselenzym in den Händen zu halten. „Wenn man während der Wiederdurchblutung NOX-Hemmer einsetzt, könnten möglicherweise mehr Komplikationen verhindert werden.“
Quelle: „Calcium-dependent blood-brain barrier breakdown by NOX5 limits postreperfusion benefit in stroke“ Weitere Informationen:
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30882367
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