Kinderwunschbehandlung: Wie viele Versuche braucht es?
340.053 Menschen in Deutschland sind im Reagenzglas entstanden einer mittelgroßen Großstadt wie Wuppertal oder Bielefeld. Jährlich kommen derzeit mehr als 20.000 Babys mithilfe der Reproduktionsmedizin zur Welt; im aktuellsten Statistikjahr 2019 waren es genau 21.588. Der Grund dafür: Der Weg zum Wunschkind ist für jedes sechste Paar nicht auf natürlichem Weg möglich, sondern mit medizinischer Hilfe verbunden. Doch wie viele Behandlungsanläufe sind in der Regel nötig, bis Frauen mit Kinderwunsch wirklich auch schwanger sind?
Ein Jahr Sex ohne Schwangerschaft: Zeit für eine Beratung
„Schwangerschafts- und Geburtenraten hängen natürlich auch vom Alter ab. Ungewollte Kinderlosigkeit ist aber sehr gut behandelbar“, erklärt Ute Czeromin, die Vorstandsvorsitzende des „Deutschen IVF-Registers“ (D•I•R). „Wenn sich der Kinderwunsch auf natürlichem Weg nach einem Jahr nicht erfüllt, sollte das Paar überlegen, eine Beratung in einem Kinderwunschzentrum in Anspruch zu nehmen.“
Detaillierte Zahlen und Informationen zur Kinderwunschbehandlung in Deutschland bietet das IVF-Register in seinem soeben erschienenen aktuellen Jahrbuch. 134 Kinderwunschzentren bundesweit haben darin 116.306 Behandlungszyklen für das Jahr 2020 dokumentiert, die damit verbundenen Methoden und deren Erfolgsaussichten.
Erfolgsquoten der ersten drei Behandlungsanläufe
Kernpunkt ist eine Untersuchung zur kumulativen Schwangerschaftsrate nach mehreren Embryotransfers, die aus frisch gewonnenen Eizellen nach Hormontherapie und/oder den daraus folgenden Embryotransfers nach Einfrieren ausgewertet wurde. Das Ergebnis:
- Nach einem ersten Embryotransfer kommt es in 34,5 Prozent der Behandlungen mit einem Transfer zu einer Schwangerschaft.
- Nach zwei Transfers erhöht sich die Erfolgsquote auf 52,4 Prozent.
- Nach drei Behandlungen liegt sie bei 61,5 Prozent.
„Nach vier Behandlungen sind zwei von drei Frauen schwanger“
„Ein negativer Schwangerschaftstest nach einer ersten Kinderwunschbehandlung ist traurig", räumt Andreas Tandler-Schneider ein, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe im „Fertility Center Berlin“ und D•I•R- Vorstandsmitglied. „Aber die Tatsache, dass nach vier Behandlungen zwei von drei Patientinnen schwanger sind, sollte Paaren Mut machen.“
Kryokonservierung (Einfrieren) immer bedeutender
Laut IVF-Register gewann bei der Kinderwunschbehandlung die sogenannte Kryokonservierung, also das Einfrieren, in jüngster Zeit an Bedeutung. „Das wird in Zukunft deutlich mehr werden“, so die Prognose von Frauenarzt Tandler-Schneider. „Viele Zyklen werden dann mit dem Einfrieren und anschließendem Auftauen von Eizellen, Vorkernstadien und Embryonen einhergehen.“ Für die betroffene Patientinnen bedeute das: Sie brauchen keine erneute Hormonstimulation oder Eizellentnahme. „Insofern ist es eine zusätzliche Chance, mit deutlich geringerem Aufwand“, ergänzt der Arzt aus Berlin. Laut IVF-Register wird dieses Verfahren allerdings bisher nicht von den Krankenkassen getragen.
Kinderwunschbehandlung in Deutschland: Daten und Fakten
- Das Alter der Kinderwunschpatientinnen steigt laut IVF-Register seit 2017 kontinuierlich an.
- Durchschnittsalter von Kinderwunschpatientinnen aktuell: 35,6 Jahre.
- Stärkste Altersgruppe: die 35- bis 39-Jährigen.
- Das mittlere Alter der Partner liegt stabil bei 38,5 Jahren.
- Auch der Anteil der Patientinnen, die älter als 40 Jahre sind, nimmt stetig zu.
Künstliche Befruchtung: Ab 40 sinkt die Erfolgsquote rapide
Ob eine Kinderwunschbehandlung am Ende von Erfolg gekrönt ist – dabei spielt auch das Alter der Frau eine entscheidende Rolle. „Während die 35-Jährigen eine Schwangerschaftsrate von 38,8 Prozent und eine Geburtenrate von 30 Prozent haben, sinkt sie bei Frauen ab 40 Jahren deutlich. Die Schwangerschaftsrate liegt dann bei 18,9 Prozent und die der Geburten bei 10,6 Prozent“, sagt D•I•R-Vorstandschefin Czeromin. Bei Patientinnen mit und über 45 Jahren kam es deutschlandweit lediglich noch zu fünf Geburten. Czeromin, die als Frauenärztin in der Kinderwunschpraxis Gelsenkirchen tätig ist, rät Paaren deshalb dazu, diese natürliche Grenze im Fall eines Kinderwunsches im Auge zu haben.