Frühe Therapie kann verhindern, dass Rheuma-Schmerzen chronisch werden

Rheumatische Beschwerden können sich auf den ganzen Körper ausdehnen. Ein Behandlungsstart in der Frühphase der Krankheit kann eine Chronifizierung der Schmerzen verhindern. – Foto: AdobeStock/peterschreiber.media
Schmerz ist ein Warnsignal des Körpers, der darauf hinweist, dass unserem Organismus Schädigung droht. Bei rheumatischen Erkrankungen besteht die Gefahr, dass das Warnsignal, das Probleme anzeigen soll, selbst zum Problem wird, weil es nicht mehr verschwindet. „Wenn eine rheumatische Entzündung nicht zügig behandelt wird, kann es zu einer dauerhaften Sensibilisierung kommen“, warnt jetzt die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh). Die Folge einer zu späten Therapie könne „die Verselbstständigung und Chronifizierung des Schmerzgeschehens sein“.
Rheuma-Schmerzen können sich auf den ganzen Körper ausdehnen
Entzündlich-rheumatische Erkrankungen können sich an zahlreichen Stellen des Körpers manifestieren oder sich sogar auf den ganzen Körper ausdehnen (Fachbegriff: wide spread pain). Ein moderner medizinischer Ansatz setzt hier ganz stark auf einen Therapiebeginn in der Frühphase der Beschwerden: erstens mit geeigneten Medikamenten und zweitens mit nicht-medikamentösen Maßnahmen wie Physiotherapie. „Diese können die rheumatische Entzündung und damit auch Schmerz schnell beseitigen, bevor sich ein ‚Schmerzgedächtnis‘ entwickelt“, erläutert Georg Pongratz, Chefarzt Rheumatologische Rehabilitation im Asklepios Zentrum für Rehabilitation im bayerischen Kurort Bad Abbach.
Rheuma-Schmerzen: Diese Medikamente kommen infrage
Welche Arzneimittel eignen sich für die Behandlung? Bei akuten entzündlich bedingten Schmerzen im Bereich der Schmerzrezeptoren im Körper („nozizeptiver Schmerz“) geht es darum, die Grunderkrankung konsequent zu behandeln und anti-entzündliche und schmerzstillende Präparate wie nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) einzusetzen, die gleichzeitig gegen die Entzündung und den Schmerz wirksam sind. Sie helfen bei zahlreichen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, aber auch bei Arthrose.
Sollten diese Arzneimittel nicht den gewünschten Erfolg haben oder sollten medizinische Gründe gegen deren Verwendung sprechen (Kontraindikation), stehen Schmerzmittel-Alternativen wie Paracetamol, Metamizol oder Opioide sowie Injektionen mit Glukokortikoiden oder Lokalanästhetika zur Verfügung.
Was kann man tun, wenn der Schmerz schon chronisch ist?
Ist der Schmerz bereits chronisch, können neben den genannten Präparaten auch schmerzmodulierende Mittel wie Antidepressiva, Antiepileptika und Trizyklika sowie Muskelrelaxantien, leichte Opioide oder bei neuropathischen Schmerzen auch Cannabinoide zum Einsatz kommen.
Alternativen zur Einnahme: Schmerzlindernde Haut-Gels
Da alle diese Arzneimittel auch Nebenwirkungen haben können, böten sich, so Pongratz, auch Präparate zur lokalen Anwendung auf der Haut an, beispielsweise konsequent Therapie mit NSAR-haltigem Gel bei einer Handgelenksarthritis. Wirkstoffe wie Capsaicin aus der Chilischote mit Cayennepfeffer, ein Lokalanästhetikum wie Lidocain oder ein Nervengift wie Botulinumtoxin (Botox) wirken lindernd auf Muskelkontraktionen und Schmerzen.
Schmerztherapie: So individuell wie der Schmerz selbst
Weil Schmerz bei jedem Menschen anders ist, muss auch die Schmerztherapie immer auf den Einzelfall zugeschnitten sein. „Schmerz ist ein komplexes Geschehen und hängt auch von vielen individuellen Faktoren ab“, sagt Rheumatologe Pongratz. Zu diesen Faktoren zählten die bisherigen Schmerzerfahrungen, Erziehung, Geschlecht, Herkunft, genetischen Faktoren und die Persönlichkeit der Betroffenen.
Um die Spirale hin Verselbstständigung von Schmerzen zu durchbrechen, braucht es Pongratz zufolge einen multimodalen Ansatz und eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit einem Team aus Schmerztherapeuten, Physiotherapeuten, Psychologen, Ergotherapeuten, Sozialdienst und Patientenschulungen.