Deutschland verkürzt Genesenen-Status auf 90 Tage

Genesenenstatus läuft jetzt schon nach 90 Tagen ab - Experten sehen dafür keine wissenschaftliche Basis – Foto: © adobe stock / vladim_ka
Bisher galt man nach einer Corona-Infektion sechs Monate als genesen - nun hat das Robert Koch-Institut den Zeitraum auf 90 Tage verkürzt. De facto sind es sogar nur 62 Tage, da der Genesenenstatus frühestens 28 Tage nach dem positiven PCR-Test anerkannt wird.
Die neue Regelung gilt schon seit Samstag und wurde vom Bundesrat abgenickt. Das RKI begründet die Änderung des Genesenenstatus mit wissenschaftlicher Evidenz, wonach „Ungeimpfte nach einer durchgemachten Infektion einen im Vergleich zur Deltavariante herabgesetzten und zeitlich noch stärker begrenzten Schutz vor einer erneuten Infektion mit der Omikronvariante“ hätten.
Vorgehen für Streeck wissenschaftlich nicht erklärbar
Doch Experten sehen mehr Willkür als wissenschaftliche Evidenz hinter dem Vorgehen. So sagte der Bonner Virologe Hendrik Streeck gegenüber WELT, dass es wenig Gründe gebe, Genesene nicht Geimpften gleichzustellen. Genesene hätten in den meisten Fällen sogar eine viel breitere Immunantwort, sagte Streeck, der auch Mitgliede des neuen Corona-Expertenrats der Bundesregierung ist. Er verwies auf die Schweiz, wo jüngst der Genesenenstatus „aus guten Gründen auf zwölf Monate verlängert“ wurde. „Dass eben jener Status in Deutschland auf drei Monate verkürzt wird, ist aus meiner wissenschaftlichen Erkenntnis nicht erklärbar."
So sieht es auch der Virologe und Epidemiologe Klaus Stöhr. „Das sollen die Daten sein, die Verkürzung des Genesenenstatus auf drei Monate in Deutschland zu begründen?“, wundert er sich auf seinem Twitter-Account mit Blick auf die Quellenangaben des RKI. Keine der im Quellennachweis aufgeführten Arbeiten kommt zu dem Schluss, dass Omikron-Infizierte nur 90 Tage lang immunisiert sein sollen.
Grundrechte werden tangiert
Für Genesene ist die Änderung ein erheblicher Eingriff in ihre Grundrechte, dürfen sie beispielsweise nach Ablauf der drei Monate nicht mehr in Geschäfte, Restaurants oder ins Theater (2G-Regel) – auch nicht mit einem Test. Viele dürften das als reine Schikane empfinden und sich erst recht nicht impfen lassen.
Der Verfassungsrechtler Niko Härting rechnet offenbar mit Klagen betroffener Bürger, so sei er schon mehrfach in dieser Woche um Rechtsbeistand gebeten worden, berichtet "WELT". „Das werden sich die Gerichte anschauen müssen“, sagte er der Zeitung. „Mir erscheint das Vorgehen nicht nachvollziehbar.“