130:80 – In den USA gilt ein neuer Bluthochdruckwert

In den USA sind die Richtwerte für Bluthochdruck gesenkt worden. Deutschland denkt noch darüber nach
Wann ist der Blutdruck zu hoch? Bislang galt in den USA genau wie in Deutschland ein systolischer (oberer) Wert von130 mm Hg noch als normal. Von Bluthochdruck war erst ab einem Wert von 140 zu 90 die Rede. Das hat sich soeben geändert. Die American Heart Association hat den Wert auf 130 zu 80 gesenkt und ihre Leitlinien zu Bluthochdruck entsprechend angepasst. Schon systolische Werte zwischen 120 und 129 gelten demnach nicht mehr als normal, sondern bereits als „erhöht“. Nach dem neuen Richtwert ist mehr als jeder zweite Amerikaner behandlungsbedürftig.
Viele schimpfen jetzt auf die von einem unberechenbaren Präsidenten regierten Amerikaner. Doch ganz so willkürlich, wie es manche sehen wollen, ist die Änderung nicht. Immerhin gibt es eine 157 Seiten umfassende Begründung. Und die enthält Studiendaten, die nahelegen, dass eine Senkung des Blutdrucks unter eben diesen Wert von 130 zu 80 mmHg das Risiko für Schlaganfälle, Herzinfarkte und andere Kreislauferkrankungen noch weiter reduzieren kann.
SPRINT Studie war ausschlaggebend
Wesentlichen Einfluss auf die Entscheidung der American Heart Association hatte die SPRINT-Studie. Die Studie hatte gezeigt, dass Patienten mit einem erhöhten Herz-Kreislauf-Risiko deutlich von einer medikamentösen Absenkung des Blutdrucks auf 120 mmHg profitieren. Im Vergleich zu jenen Patienten, deren Zielblutdruck auf bis zu 140 mmHg eingestellt war, erlitten 30 Prozent weniger Herz-Kreislaufereignisse wie Schlaganfälle, Herzinsuffizienz und Herzinfarkte. Zudem war die Zahl der frühzeitigen Todesfälle in der 120er-Gruppe um 25 Prozent geringer. Die Ergebnisse fielen schon vor geplantem Studienende so eindeutig aus, dass die Forscher die Studie frühzeitig beendeten.
Was gilt in Deutschland?
Und Deutschland? Die Deutsche Hochdruckliga spricht erst bei einem systolischen Wert 140 mmHg von einem milden Bluthochdruck, der aber behandelt gehört. Doch bei kardiovaskulären Hochrisikopatienten ist der Unterschied zu den Amerikanern gar nicht mehr so groß: für diese Patienten wird schon heuet eine Absenkung auf unter 135/85 mmHg empfohlen.
Schon als die Ergebnisse der SPRINT-Studie im Jahr 2015 bekannt wurden, wollte die Hochdruckliga über Anpassungen nachdenken. Aktuell heißt es, man wolle die neuen Empfehlungen prüfen. „Eine Absenkung des Blutdruckgrenzwertes auf unter 130/80 mmHg wie in den USA jetzt vorgeschlagen wurde, würde Betroffene und Ärzte für das bereits bei diesen Blutdruckwerten bestehende mäßig erhöhte Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen sensibilisieren“, sagt der DHL-Vorsitzende Professor Dr. med. Bernhard Krämer. Andererseits würden durch eine Absenkung der Blutdruck-Grenzwerte deutlich mehr Menschen als bisher als Patienten eingestuft, räumte er ein.
Blutdrucksenkung immer eine Ermessensfrage
Es sei jedoch seit Jahrzehnten bekannt, meint Krämer, dass das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Allgemeinbevölkerung bereits ab Blutdruck-Werten von über 115/75 mmHg deutlich ansteige. „Das heißt, die Gefahr zu erkranken, besteht auch schon im hochnormalen Blutdruckbereich. Deshalb ist und war eine Festlegung der anzustrebenden Zielwerte für die Blutdrucksenkung immer auch eine Ermessensfrage“, so der Hypertonieexperte.
Verschwörungstheoretiker könnten hinter dem amerikanischen Schritt einen Komplott mit der Pharmaindustrie vermuten: mehr Blutdruckkranke, mehr Pillen. Allerdings empfehlen die Leitlinien bei erhöhten Werten oder mildem Bluthochdruck eine Blutdrucksenkung erst einmal mit Lebensstiländerungen zu bewirken: mehr Bewegung, weniger Rauchen. Bekannt ist auch, dass ein Großteil der Bevölkerung seinen Bluthochdruck gar nicht behandeln lässt. Millionen Menschen wissen gar nichts davon.
Foto: Kurhan Fotolia