Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

XXL-Patienten: Mal zahlt die Kasse, mal nicht

Freitag, 18. Mai 2018 – Autor:
Viele Patienten mit starkem Übergewicht können ihren Alltag nur schwer bewältigen oder sogar ihrem Beruf nicht mehr nachgehen. Trotzdem finanzierten die Krankenkassen eine medizinisch begründete Therapie offenbar nach Belieben, kritisieren Selbsthilfeverbände. Der Bundestag soll das jetzt ändern.
Mann fasst sich an dicken Bauch

Immer wieder weigern sich Krankenkassen, die medizinisch begründete Behandlung von Patienten zu bezahlen. Selbsthilfeverbände sprechen von "unterlassener Hilfeleistung".

 „Trotz evidenzbasierter nationaler und internationaler Leitlinien zur Therapie der Adipositas entscheiden Krankenkassen bis heute nach Goodwill, ob sie die Kosten für eine medizinisch indizierte Adipositas-Therapie übernehmen wollen oder nicht“, sagt Matthias Blüher, Präsident der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG). Dies sei nicht länger hinnehmbar.

Die DAG als wissenschaftliche Fachgesellschaft unterstützt deshalb die aktuelle Petition von Selbsthilfeverbänden an den Bundestag. Darin wird das Parlament aufgefordert, die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung von Patienten mit schwerem Übergewicht zu schaffen und deren Finanzierung bundesweit einheitlich sicherzustellen. Initiatoren der Petition sind Michael Wirtz von der Adipositas-Hilfe Nord und Stefanie Wirtz, Patientenvertreterin der DAG bei der Europäischen Adipositas-Gesellschaft EASO.

Adipositas: Risikofaktor für gesellschaftlichen Abstieg

„Vielen der Patienten mit starkem Übergewicht ist es aufgrund ihrer Erkrankung nicht mehr möglich ihrem Beruf nachzugehen“ warnt Melanie Bahlke von der Adipositas-Chirurgie Selbsthilfe Deutschland. Für diejenigen Betroffenen, die bereits zur sozioökonomisch schwachen Schicht gehörten, führe dies schnell zu einem weiteren gesellschaftlichen Abstieg.

 „Scham und Stigmatisierung sind für viele Betroffene eine große Hürde, eine Therapie einzufordern“, sagt Christel Moll vom Adipositas-Verband Deutschland. Eine medizinisch indizierte Adipositas-Therapie zu verweigern, sei diskriminierend und müsse als „unterlassene Hilfeleistung“ gewertet werden.

OECD erklärt Übergewicht zur "Volkskrankheit"

Nach einem Report der UN-Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD hat Übergewicht in allen seinen Ausprägungen in wichtigen Industrieländern mittlerweile das „alarmierende Ausmaß einer Volkskrankheit“ angenommen. Nach der Gewichtsklassifikation der Weltgesundheitsorganisation WHO gelten Personen dann als übergewichtig, wenn ihr Körpermasse-Index („Body Mass Index“, BMI) den Wert von 25 übersteigt.

Kinder und Frauen werden dicker

In Deutschland haben dem Report zufolge 60 Prozent der Männer und 45 Prozent der Frauen Übergewicht, wobei die Frauen aufholen. Auch immer mehr Jugendliche und Kinder sind bedenklich dick. 16 Prozent aus dieser Bevölkerungsgruppe sind übergewichtig und 6 Prozent adipös – doppelt so viele wie gegen Ende des 20. Jahrhunderts.

Von starkem Übergewicht ("Adipositas", BMI über 30) ist in Deutschland nach Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) und des Statistischen Bundesamts fast jeder Vierte Erwachsene betroffen (23 Prozent). An extremer Adipositas (BMI über 40) leiden 1,4 Millionen Menschen. Deren Zahl hat sich demnach seit der Jahrtausendwende mehr als verdoppelt.

Mehr als 20 Folgeerkrankungen

Ein Zuviel an Fett im menschlichen Körper erhöht das Risiko für eine Vielzahl von Folgeerkrankungen. Dazu zählen insbesondere der Diabetes vom Typ 2 (sogenannter Alters-Diabetes) und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „Adipositas ist für mindestens 20 bis 40 Folgeerkrankungen die Ursache“, sagt Matthias Blüher, der Präsident der DAG. Die Ausgaben für Adipositas im deutschen Gesundheitswesen belaufen sich laut Schätzungen auf 13 Milliarden Euro im Jahr.

Foto: DAK-Gesundheit

Hauptkategorie: Gesundheitspolitik
Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Diabetes , Ernährung , Gesundheitspolitik , Krankenkassen , Weltgesundheitsorganisation

Weitere Nachrichten zum Thema Übergewicht

Aktuelle Nachrichten

Mehr zum Thema
Adipositas ist das am schnellsten wachsende Gesundheitsproblem weltweit. In Deutschland werde sie aber oft nicht leitliniengerecht behandelt, es gebe zu wenig bariatrische OPs. Das kritisieren die Fachgesellschaften für Ernährungsmedizin (DGEM) und Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV).
Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin