Wirkung der Corona-Schutzmaßnahmen unklar

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Die Wirkungen und Nebenwirkungen der bisherigen Schutzmaßnahmen in der Corona-Krise seien selbst aus Expertensicht kaum zu beurteilen. Das erklärte der Bonner Virologe Prof. Hendrik Streeck nach einem Bericht der Agentur dpa. Es seien Maßnahmenbündel gleichzeitig ergriffen worden, die man nicht auseinanderrechnen könne, sagte Streeck. Er ist Mitglied der Sachverständigenkommission, die diese im Auftrag von Bundestag und Bundesregierung evaluieren sollte. Die Kommission legte ihren Bericht am Freitag vor.
Generell könne man sagen: "Jede Maßnahme hat ihre Zeit", so Streeck weiter in der Agentur-Meldung. So sei es gerade zu Beginn einer Pandemie sinnvoll, eine Verbreitung in der Bevölkerung zu reduzieren.
Lockdown und 2G/3G verlieren mit der Zeit ihre Wirkung
Wenn erst wenige Menschen infiziert sind, wirken Lockdown-Maßnahmen deutlich stärker, heißt es in dem Gutachten. Je länger ein Lockdown dauere und je weniger Menschen bereit seien, die Maßnahme mitzutragen, desto geringer sei der Effekt. Ähnlich wie bei den Lockdown-Maßnahmen sei auch die Kontaktnachverfolgung vor allem in der Frühphase der Pandemie wirksam gewesen.
Einen hohen Effekt messen die Experten Zugangsbeschränkungen für Geimpfte, Genesene und/oder Getestete bei, sogenannten 2G/3G-Maßnahmen. Sie wirken aber vor allem in den ersten Wochen nach der Impfung oder Genesung. Der Schutz vor einer Ansteckung lasse mit der Zeit deutlich nach. In der aktuellen Phase der Pandemie empfiehlt das Gremium eher eine Testung unabhängig vom Impfstatus als Zutrittsbedingung.
Masken wirken, wenn sie sitzen
Streeck betonte: "Masken wirken. Das muss man deutlich sagen." Wichtig sei aber, dass Menschen Masken auch tragen wollten. In dem Kommissions-Bericht heißt es, eine schlecht sitzende und nicht eng anliegende Maske habe einen verminderten bis keinen Effekt. Da das Coronavirus drinnen eher übertragen werden könne als draußen, sollte eine Maskenpflicht auf Innenräume und Orte mit einem höheren Infektionsrisiko beschränkt bleiben, so das Gremium.
Weiterhin unklar sei die Wirksamkeit von Schulschließungen auf die Eindämmung der Ausbreitung des Virus. Weil zeitgleich mehrere Maßnahmen eingeführt wurden, könne demnach deren Effekt allein nicht gemessen werden. Das Gremium stellt zugleich fest, dass im Gegensatz dazu die "nicht-intendierten Folgen" durchaus untersucht worden seien. Das Gremium rät, eine weitere Expertenkommission sollte diese "unter besonderer Berücksichtigung des Kindeswohls" genau prüfen.
Wirkung der Corona-Schutzmaßnahmen unklar
Insgesamt müssten sich die gegenwärtigen und zukünftigen Maßnahmen auf den Schutz der besonders gefährdeten Gruppen konzentrieren, rät das Gutachten. Die Pandemie werde über kurz oder lang in eine Endemie übergehen. Das bedeutet, dass eine Krankheit in einer Bevölkerung wie etwa die Grippe ständig auftritt und nicht mehr ganz verschwindet. Zugleich müsse eine Überlastung des Gesundheitswesens vermieden werden.
Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, mahnte laut dpa eine Auseinandersetzung der Politik mit dem Evaluationsbericht über die Wirkung der Corona-Schutzmaßnahmen an. Auch wenn mangels ausreichender Daten letztlich keine sicheren Bewertungen möglich waren. Von Seiten der Politik variierten die Reaktionen, die FDP im Bundestag teilte mit, nun werde es keine tiefgreifende Grundrechtseingriffe wegen Corona mehr geben. Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sagte der dpa hingegen: "Die Aussagekraft des Berichts ist (...) begrenzt."