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Ausländer in Deutschland: Sterberisiko bei Covid-19 doppelt so hoch

Freitag, 24. Juni 2022 – Autor:
Lebensgewohnheiten, Vorerkrankungen, Alter: Sie gelten als wichtige Risikofaktoren für einen schweren oder gar tödlichen Covid-19-Verlauf. Eine AOK-Studie zeigt: Bei im Inland lebenden Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit ist das Sterberisiko sogar mehr als doppelt so hoch wie bei Deutschen.
Balkendiagramm: Wichtigste Ursachen für Tod durch Covid-19.

Die wichtigste medizinische Ursache für den tödlichen Verlauf einer Corona-Infektion stellen Stoffwechselkrankheiten dar. Sie erhöhen das Sterberisiko um gut 60 Prozent. Noch einmal so hoch ist aber das Risiko, als Migrant in Deutschland an Covid-19 zu sterben. – Foto: AOK-Nordost

Das Risiko, dass eine Coronavirus-Erkrankung einen schweren Verlauf nimmt oder schlimmstenfalls tödlich, wurde bisher vor allem biologischen oder medizinischen Ursachen zugeschrieben. Fettleibigkeit, Rauchen, Diabetes oder Asthma zählen zu diesen besonderen Risikofaktoren. Eine Datenanalyse der AOK-Nordost von rund 1.600 Sterbefällen zeigt jetzt: Auch soziale Ursachen spielen eine relevante Rolle. So hatten Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit im vergangenen Jahr im Schnitt ein mehr als doppelt so hohes Risiko, an Covid-19 zu versterben, wie Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit. Auch Menschen, die in ärmeren Orts- oder Stadtteilen wohnen, haben im Schnitt ein höheres Sterberisiko.

Für die Datenanalyse untersuchte die AOK Nordost, wie viele ihrer rund 1,7 Millionen Versicherten in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2021 mit einer gesicherten Covid-19-Diagnose ins Krankenhaus eingeliefert wurden und dort innerhalb von vier Wochen verstarben. Im nächsten Schritt wertete die Krankenkasse aus, welche Vorerkrankungen oder Eigenschaften es bei den 1.583 Verstorbenen gab.

Medizinische Ursachen für Tod durch Covid-19: Stoffwechselerkrankungen liegen vorn

Menschen, die an Diabetes oder einer anderen Stoffwechselkrankheit litten, hatten ein 62 Prozent höheres Sterberisiko als Versicherte ohne Stoffwechselerkrankungen. Auch andere Vorerkrankungen erhöhten das Sterberisiko signifikant. Darüber hinaus wurden in der Datenanalyse noch weitere Merkmale der Verstorbenen wie Wohnort, Beschäftigungsstatus und Staatsbürgerschaft untersucht.

Migrant sein: „Größter Risikofaktor für tödlichen Covid-19-Verlauf“

„Als der mit Abstand größte ‚Risikofaktor‘ für eine tödlich verlaufende Covid-19-Infektion entpuppte sich eine ausländische Staatsbürgerschaft“, heißt es in einer Mitteilung der AOK Nordost. „Ausländische Versicherte hatten im Schnitt ein rund 2,3 Mal höheres Sterberisiko als deutsche Versicherte.“

Warum Migranten so oft an Covid-19 sterben

Das in der AOK-Analyse registrierte Phänomen deckt sich offenbar mit Studien aus anderen Industrieländern. Auch dort haben Migranten höhere Infektionsrisiken und sind auch unter den Covid-19-Sterbefällen überrepräsentiert. Dafür gibt es der Krankenkasse zufolge mehrere Gründe:

  1. Migranten arbeiten häufiger in Berufen, die ein hohes Infektionsrisiko haben, wie etwa in der Reinigungsbranche und in der Altenpflege
  2. Migranten wohnen häufiger in beengten Verhältnissen und haben pro Kopf weniger Platz zur Verfügung. „Auch beengte Wohnverhältnisse erhöhen das Risiko, sich zu infizieren“, sagt Nico Dragano, Professor für Medizinische Soziologie am Universitätsklinikum Düsseldorf.

Ärmere Wohngebiete: 11 Prozent höheres Covid-19-Sterberisiko

Laut dem Mikrozensus des Statistischen Bundesamts haben Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft im Schnitt ein rund 20 Prozent geringeres Einkommen und deutlich seltener einen berufsqualifizierenden Abschluss als Menschen ohne Migrationshintergrund. Dass ein niedrigerer sozioökonomischer Status das Infektionsrisiko erhöht, gilt der jetzt vorgelegten Studie zufolge offenbar auch für Migranten. Ihr zufolge hatten AOK-Versicherte, die in den am stärksten sozial benachteiligten Gebieten in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern wohnen, ein um 11 Prozent höheres Sterberisiko als die Bewohner aller anderen Ortsteile.

Ausländische Covid-19-Opfer starben statistisch 14 Jahre früher

Die Versicherten mit ausländischer Staatsangehörigkeit starben durchschnittlich 14 Jahre früher als Versicherte mit deutscher Staatsangehörigkeit. Das Durchschnittsalter der an oder mit Covid-19 Verstorbenen lag hier bei 68. Die Versicherten mit deutscher Staatsangehörigkeit dagegen starben im Schnitt erst im Alter von 82 Jahren.

AOK-Nordost-Vorstandschefin Teichert: „Erschreckendes Ergebnis“

Von einem „erschreckenden Ergebnis“ spricht die Vorstandsvorsitzende der AOK Nordost, Daniela Teichert. Die Datenanalyse zeige, dass es im Jahr 2021 offenkundig nicht ausreichend gelungen sei, Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit besser über die Gefahren einer Corona-Infektion aufzuklären – wie auch über die schützende Wirkung einer Impfung. Laut Robert Koch-Institut (RKI) ist die Impfquote unter Migranten mit schlechten Deutschkenntnissen erfahrungsgemäß besonders schlecht. Sprachbarrieren spielen hier also eine zentrale Rolle.

Migranten mit mangelnden Deutschkenntnissen: Anfällig für Irrtümer rund um Covid-19

Eine im Februar erschienene Repräsentativstudie des RKI zeigt, dass die Corona-Impfkampagne Menschen mit schlechten Deutschkenntnissen signifikant seltener erreicht hat. Die geringere Impfquote in dieser Personengruppe hat demnach mehrere Gründe: „Befragte mit schlechten Deutschkenntnissen hatten im Schnitt signifikant weniger Vertrauen in die Impfung und das Gesundheitswesen“, schreibt die AOK unter Berufung auf die Studie des RKI. „Sie glaubten fälschlicherweise deutlich häufiger, dass die Covid-19-Impfung die Covid-19-Erkrankung selbst auslösen könne, dass die Impfung Chemikalien giftiger Dosierung enthalte und dass die Impfung die menschliche DNA verändern könne.“

Hauptkategorie: Corona
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