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Wie man Erektionsstörungen am besten behandelt

Freitag, 19. Oktober 2018 – Autor:
Erektionsstörungen können viele Ursachen haben: Gefäßerkrankungen, Nervenschäden oder psychosozialer Stress. Wie man die erektile Dysfunktion am besten behandelt, erläutert eine neue S1-Leitlinie.
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Erektionsstörungen können organische oder psychische Ursachen haben – Foto: ©Sonja Birkelbach - stock.adobe.com

Erektionsstörungen können viele Ursachen haben, Gefäßerkrankungen, Nervenschäden oder psychosozialer Stress. Wie man sie am besten behandelt, erläutert die neue S1-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der erektilen Dysfunktion“, die von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie herausgegeben wurde.

Die erektile Dysfunktion kann Lebensqualität und Wohlbefinden des Betroffenen sowie des Lebenspartners deutlich vermindern. Wenn die Erektionsstörung länger als 6 Monate besteht, sollte ein Arzt aufgesucht werden. In erster Linie ist das ein Urologe.

Ab 60 klagen mehr als die Hälfte über Erektionsstörungen

Ein Neurologe wird bei Bedarf hinzugezogen. Eine erektile Dysfunktion kann bei vielen neurologischen Erkrankungen als Früh- oder Spätsyndrom auftreten und eine häufige unerwünschte Wirkung von Medikamenten der neurologischen Therapie sein.

Behandlungsbedarf besteht auf jeden Fall: Zwischen 20 und 30 Jahren tritt die erektile Dysfunktion bei 2,3 Prozent der Männer auf, zwischen 60 und 70 Jahren klagen mehr als die Hälfte der Männer (53,4 Prozent) über Erektionsstörungen. Und die Hälfte der Betroffenen wünscht, so zeigen es Studien, eine Therapie.

Psychische Ursachen für eine Erektionstörung

Die Anamnese umfasst zunächst die Sexualität und sollte nicht von falscher Scham behaftet sein. Die Partnerin respektive der Partner sollte möglichst ebenfalls befragt werden. Wesentlich ist auch die Frage nach nächtlichen und morgendlichen Spontanerektionen. Wobei: Morgendliche Erektionen schließen eine Erektionsstörung nicht aus.

Folgende Faktoren können auf eine psychische Ursache der erektilen Dysfunktion hinweisen: plötzlicher Beginn, vorausgehende belastende Lebensereignisse, Situationsabhängigkeit der Störung (Partnerkontakt versus Masturbation), keine körperlichen Risikofaktoren, keine die Potenz beeinflussenden Erkrankungen, Medikamente, Alkohol oder Drogen, ein Alter unter 50 Jahren und das Fortbestehen nächtlicher Spontanerektionen.

Welche Erkrankungen zu Erektionsstörungen führen können

Verschiedenen Erkrankungen können zu Erektionsstörungen führen. So besteht einer enge Beziehung zwischen depressiven Störungen und erektiler Dysfunktion, die sich gegenseitig bedingen, aufrechterhalten oder verstärken können. Viele moderne Antidepressiva beeinflussen die Sexualiät negativ.

Zu den symptomatischen Ursachen von Erektionsstörungen zählen außerdem Vorerkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck oder Gefäßerkrankungen, Operationen, die Einnahme bestimmter Medikamente, Alkohol- und Drogenmissbrauch und neurologische Erkrankungen wie Polyneuropathie, Bandscheibenvorfälle, Parkinson, Multiple Sklerose und Schlafapnoe.

Urogenitale und anale Tastuntersuchungen

Bei der klinisch-neurologischen Untersuchung richtet sich ein besonderes Augenmerk auf weitere Störungen in der Urogenitalregion wie Inkontinenz, Abszesse oder Verletzungen. Die Sensibilitätsprüfung im Urogenitalbereich bezieht den Anal- und Kremasterreflex mit ein. Bei der körperlichen Untersuchung dürfen die urogenitale (auch Hoden und Prostata) und anale Inspektion sowie digitale und funktionelle Untersuchungen (Kneifen, Pressen) des Analkanals nicht vergessen werden.

Bei Laboranalysen sind insbesondere die Sexualhormone Testosteron und Prolaktin zu berücksichtigen. Bei pathologischem Testosteronwert sollten auch andere endokrine Systeme (Schilddrüse, Nebenniere) untersucht werden.

Untersuchung von Nervenbahnen und Gefäßen 

Gefäßdiagnostik am Penis sowie neurologische Untersuchungsverfahren zählen zur erweiterten Diagnostik bei erektiler Dysfunktion. Gefäßuntersuchungen der penilen Gefäße sind nur in artifizieller Erektion sinnvoll. Daher bietet sich die Kombination mit dem Schwellkörperinjektionstest an, bei dem eine pharmakologisch provozierte Erektion nach den Stufen E0-E5 klassifiziert wird. Ein gutes Ansprechen beim Einsatz von PDE-5-Hemmern spricht übrigens für ein intaktes Gefäßsystem.

Mögliche Schäden des Nervenleitsystems in dieser Körperregion können mit Nadelelektroden überprüft werden. Die entscheidenden Nervenfasern, die die Muskelzellen und damit die Füllungszustände des Schwellkörpers regulieren, gehören aber zu den C-Fasern des vegetativen Nervensystems und sind einer direkten neurophysiologischen Untersuchung nicht zugänglich.

Bei Erektionsstörungen zunächst Ursachen behandeln

Bevor die Therapie beginnt, sollte der Patient über die Ursachen und die therapeutischen Möglichkeiten aufgeklärt werden. Wenn möglich, sollte die Partnerin respektive der Partner einbezogen werden. Die kommentarlose Verordnung einer medikamentösen Therapie ist zu vermeiden.

Primäres Ziel muss die Therapie der Ursache der erektilen Dysfunktion sein. Dazu gehört die Veränderung des Lebensstils und der Lebensgewohnheiten, zum Beispiel Gewichtsreduktion, Reduktion oder Meiden von Nikotin und Alkohol. Erst danach erfolgt die symptomatische Therapie. Durch die guten Erfolge der PDE-5-Hemmer wird diese Reihenfolge in den letzten Jahren aber "bedauerlicherweise missachtet", schreiben die Leitlinien-Autoren.

Paarkonflikte durch Gesprächstherapie beseitigen

Psychopharmakologische oder psychotherapeutische Interventionen in Form einer Einzel- oder Paartherapie richten sich nach der Grundproblematik: Antidepressiva oder eine kognitive Therapie von Depressionen, bei denen Libido- und Erektionsstörungen Teil eines Symptomkomplexes sind, Libidomangel, altersabhängige Abnahme des sexuellen Interesses oder chronische Störungen der Intimbeziehung.

Probleme wie Unwissenheit, sexuelle Fehleinstellungen oder aktuelle Paarkonflikte können häufig durch entlastende oder beratende Gespräche beziehungsweise Vermittlung einer Aussprache des Paares erfolgreich angegangen werden. Eine gezielte Therapie sollte erfahrenen Sexualtherapeuten überlassen werden.

Vor der Gabe von PDE-5-Hemmern Herz-Risiko abklären

Die so genannten PDE-5-Hemmer, das bekannteste Präparat wird unter dem Namen Viagra verkauft, sind zur Therapie der ersten Wahl bei erektiler Dysfunktion geworden. Zu den Phosphodiesterase-5-Hemmern zählen Avanafil, Sildenafil, Tadalafil und Vardenafil. Vor der Verordnung der PDE-5-Hemmer sollte aber eine kardiologische Risikoabklärung erfolgen.

Ist der Patient der Low-Risk-Gruppe zuzuordnen, braucht keine kardiologische Abklärung vor einer Medikamentenverordnung vorgenommen zu werden. Hochrisiko-Patienten hingegen sollten keine Behandlung der erektilen Dysfunktion erhalten und sich sexueller Aktivität enthalten, bis sich ihre kardiale Situation stabilisiert hat.

Patienten mit mittlerem oder unbestimmtem Risiko sollten sich zunächst einer ausführlichen kardiologischen Untersuchung mit Erhebung der Risikofaktoren, Beurteilung einer eventuellen koronaren Herzkrankheit, gegebenenfalls Belastungs-EKG, unterziehen, um so eine Zuordnung in die Gruppe mit hohem oder niedrigem Risiko zu ermöglichen, sodass entschieden werden kann, ob eine Behandlung der erektilen Dysfunktion mit PDE-5-Hemmern möglich ist.

Erster PDE-5-Hemmer gegen Erektionsstörungen: Sildenafil

Sildenafil (Viagra) war der erste zugelassene PDE-5-Hemmer und darf als eines der am besten untersuchten Medikamente angesehen werden. Die Wirkung setzt nach 30-60 Minuten ein, wobei eine sexuelle Stimulation erforderlich ist. Die Initialdosis sollte 25 oder 50 mg betragen, danach erfolgt eine Dosisanpassung.

Die Erfolgsraten liegen bei 56 Prozent (25 mg), 77 Prozent (50 mg) bis 84 Prozent (100 mg) bei einer Placeborate von 25 Prozent. Sildenafil ist auch als Generikum in verschiedenen Darreichungsformen (Schmelztablette, Kautablette) erhältlich. Die Substanz Sildenafil ist mittlerweile auch zur Behandlung der pulmonalen arteriellen Hypertonie zugelassen.

Vardenafil soll potenter sein als Sildenafil

Vardenafil (Levitra, in Österreich Vivanza) wird als zehnfach potenter als Sildenafil angesehen, weshalb es niedriger dosiert werden kann. Üblicherweise wird mit 10 mg begonnen. Der Wirkeintritt stellt sich bei sexueller Stimulation innerhalb von 30 Minuten ein. Die Erfolgsraten liegen bei 66 Prozent (5 mg), 76 Prozent (10 mg) bis 80 Prozent (20 mg) bei einer Placeborate von 30 Prozent.

Die klinischen Daten zeigen aber keine höhere Effektivität als bei Sildenafil. Aktuell wurde für Vardenafil eine 10-mg-Schmelztablette eingeführt, die im Mundraum aufgenommen wird und nicht geschluckt werden muss. Sie wird nur als 10-mg-Tablette ausgegeben und soll durch die gute Resorption so wirksam wie die bisherige 20-mg-Tablette sein.

Tadalafil wirkt bis zu 36 Stunden

Tadalafil (Cialis), der dritte PDE-5-Hemmer, hat eine sehr lange Halbwertszeit von 17,5 Stunden. Dies verlängert das Wirkfenster der Substanz auf bis zu 36 Stunden. Daher wird diese Substanz in letzter Zeit bevorzugt. Üblicherweise wird mit 10 mg begonnen. Der Wirkeintritt stellt sich bei sexueller Stimulation innerhalb von 30 Minuten ein. Die Erfolgsraten liegen bei 67 Prozent (10 mg) beziehungsweise 81 Prozent (20 mg) bei einer Placeborate von 35 Prozent.

Trotz der längeren Halbwertzeit ist die Nebenwirkungsrate der Substanz nicht höher. Die seltene PDE-5-Hemmer-Nebenwirkung des Blausehens spielt bei Tadalafil keine Rolle. Im Gegensatz zu Sildenafil und Vardenafil wird der Effekt auch nicht negativ durch fettreiche Mahlzeiten beeinflusst.

Mittlerweile steht Tadalafil 5 mg auch als tägliche Medikation zur Verfügung. Die tägliche Einnahme hat als neue Therapieoption gegenüber der bedarfsgerechten Einnahme auch Eingang in die aktuellen Leitlinien der European Association of Urology gefunden. Als Nachteil ist zu werten, dass man über die Kumulation 2-3 Tage braucht, bis die volle Wirkung pharmakologisch erreicht ist. Darauf muss man die Patienten hinweisen.

Avanafil: Vorsicht bei Nieren- oder Lebererkrankungen

Avanafil (Spedra) ist der vierte PDE-5-Inhibitor, der auf dem deutschen Markt erhältlich ist. Die etwas seltener auftretenden Nebenwirkungen und Kontraindikationen entsprechen denen der anderen PDE-5-Hemmer. Als Anfangsdosis empfiehlt sich die jeweilige mittlere Dosis, im Falle einer Nieren- oder Leber-Schädigung oder einem Alter von über 65 Jahren sollte mit der niedrigsten Dosierung begonnen werden.

Auch bei HIV-Patienten unter Einnahme von Proteaseinhibitoren oder aber bei paralleler Medikation von Cimetidin, Ketokonazol oder Erythromycin sollte die Dosis langsam erhöht werden.

Nebenwirkungen der PDE-5-Hemmer

Die Nebenwirkungen der einzelnen Präparate sind vergleichbar. Dies sind vor allem Kopfschmerzen, Hitzewallung mit Gesichtsrötung (Flush), verstopfte Nase und Magenprobleme, bei Tadalafil zusätzlich Rückenschmerzen. Die Grenzen der oralen Pharmakotherapie indes zeigt eine Meta-Analyse auf, die bisher nur für Sildenafil vorliegt. Fazit: Die hohen Raten von Erektionsverbesserungen führen nicht zwangsläufig zu einem erfolgreichen, vom Patienten erwünschten Geschlechtsverkehr.

Foto: Sonja Birkelbach/fotolia.com

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