Wie die Klimakrise die Gesundheit von Kindern bedroht

Kinder gehören zu den Bevölkerungsgruppen, die am stärksten unter dem Klimawandel leiden. Dabei können sie am wenigsten dafür. – Foto: AdobeStock/Mikkel Bigandt
Der gerade vergangene Sommer lässt uns ahnen, was der Klimawandel in Zukunft bringt. Während der Hitzewelle im Juli liegen in vielen südeuropäischen Ländern die Temperaturen konstant über 40 Grad. Portugal meldet 240 Hitzetote, Spanien 360. Das gab es so noch nie. Und selbst Länder mit gemäßigtem Klima sind betroffen. In Großbritannien wird erstmals seit Beginn der Wetteraufzeichnungen die 40-Grad-Marke überschritten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beziffert die Zahl der Toten infolge des Klimawandels schon jetzt auf mehrere Zehntausend pro Jahr.
Klimawandel trifft chronisch Kranke, Alte und Kinder besonders
„Der globale Klimawandel setzt nicht nur Gesellschaft und Wirtschaft unter Druck, sondern dürfte in den kommenden Jahren und Jahrzehnten auch zu einer immensen Zunahme der Gesundheitsrisiken führen“, warnt jetzt die Stiftung Kindergesundheit. „Als besonders bedroht erweisen sich neben älteren oder chronisch kranken Personen vor allem Kinder und Jugendliche, heißt es im jetzt erstmals vorgestellten „Kindergesundheitsbericht“ der Stiftung.
Krisen: Unmittelbare Auswirkungen auf Gesundheit von Kindern
„Klimawandel, Corona-Pandemie, Krieg in Europa – Kinder und Jugendliche wachsen heute in einer Zeit bedrohlicher Krisen auf. Das hat unmittelbare Auswirkungen auf ihre Gesundheit“, sagt der Münchner Kinder- und Jugendarzt Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Umweltfaktoren und klimatische Veränderungen wie steigende Durchschnittstemperaturen, Extremwetter und Hitzeperioden führen schon jetzt zu einem deutlichen Anstieg von Infektionskrankheiten und zu Krankenhausbehandlungen. Kinder und Jugendliche werden auch durch eine Zunahme allergischer Erkrankungen belastet. Erschwerend kommt hinzu: Die heutigen Kinder werden im Verlauf ihres späteren Lebens besonders lange mit den veränderten Umständen und deren oft schädlichen Folgen konfrontiert“.
Die Welt der heute geborenen Kinder: Fünf Grad wärmer als in der Kindheit ihrer Eltern
Auf der Basis von Klimamodellen könnte bis zum Ende des 21. Jahrhunderts eine globale Erwärmung von bis 4,8 Grad Celsius eintreten. Das bedeutet: Ein Kind, das heute geboren wird, wird als Erwachsener in einer Welt leben, die fast fünf Grad Celsius wärmer ist als die Welt während der Kindheit seiner Eltern. Das hat weitreichende Folgen für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, erläutert die Stiftung Kindergesundheit in ihrem aktuellen „Kindergesundheitsbericht“:
Hitzewellen: Kinder landen mit Austrocknung im Krankenhaus
Extreme Hitze ist weltweit eine der wichtigsten wetterbedingten Todesursachen. Sie stellt heute schon eine Gefahr für die Gesundheit dar – besonders auch bei Kindern. „Für Kleinkinder stellen längere Hitzeperioden ein lebensbedrohliches Risiko dar“, heißt es bei der Stiftung Kindergesundheit. Der noch unreife kindliche Organismus kann sich noch schwer auf belastende Umwelteinflüsse wie zum Beispiel Hitze einstellen. Seine Fähigkeit zur Regulierung der Körpertemperatur durch Schweißproduktion ist noch nicht vollständig entwickelt. Gleichzeitig ist das Durstgefühl vermindert, was Herz und Kreislauf beeinflussen kann. Bei extremen Hitzewellen drohen besonders Säuglingen und jüngeren Kindern Austrocknen, Hitzschlag und Sonnenstich. Dem Kindergesundheitsbericht zufolge haben die zunehmenden Hitzetage in den vergangenen Sommern dazu geführt, dass immer mehr Kinder deshalb im Krankenhaus behandelt werden mussten.
Die Kinder von heute sind die Hautkrebspatienten von morgen
Mit der zunehmenden Sonnenscheindauer wächst die Belastung durch UV-Strahlung. Diese wiederum gilt als Hauptursache von Hautkrebs. Dem Kindergesundheitsbericht zufolge hat sich seit dem Jahr 2000 die Zahl der Hautkrebsfälle mehr als verdoppelt: Die Zahl der Neuerkrankungen lag zuletzt beim malignen Melanom (schwarzer Hautkrebs) bei circa 23.000 und beim „weißen“ Hautkrebs bei circa 230.000 Fällen.
Extremwetter: Zecken, Läuse, Nagetiere übertragen mehr Infektionskrankheiten
Steigende Durchschnittstemperaturen, Hitzewellen, Dürreperioden oder Extremwetterereignisse wie Starkregen beeinflussen auch das Auftreten von sogenannten vektorübertragenen Infektionskrankheiten – solchen, die von lebenden Organismen übertragen werden: Stechmücken, Zecken, Sandfliegen oder Läuse und auch Nagetiere.
Invasive Mückenarten bringen Tropenkrankheiten zu uns
Im Zuge der klimatischen Veränderungen breiten sich invasive Mückenarten auch in Europa immer weiter aus. So haben sich die Asiatische Tigermücke und die Gelbfiebermücke inzwischen in Europa etabliert. Mit den zukünftig veränderten klimatischen Bedingungen und der zu erwartenden Temperaturzunahme ist mit einer weiteren Verbreitung dieser Überträger der Infektionsleiden West-Nil-Fieber, Chikungunya-Fieber und Dengue-Fieber zu rechnen. „Das aktuell weitaus bedeutendere Risiko betrifft jedoch die deutliche Zunahme an bereits heimischen Erkrankungen wie der durch Zecken übertragenen Krankheiten Lyme-Borreliose und der Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME)“, betont die Stiftung Kindergesundheit.
Luftverschmutzung, Ozon und Smog: Für Kinder noch schädlicher als für Erwachsene
Die Veränderungen im Klima sind auch mit einer Verschlechterung der Luftqualität verbunden. Auch davon sind Kinder besonders betroffen: Sie reagieren empfindlich auf Luftverschmutzungen, Ozon und Smog. Ihre Atemwege und Lungen sind noch im Stadium der Entwicklung, sie atmen zudem infolge einer höheren Atemfrequenz im Vergleich zu Erwachsenen größere Dosen an luftverschmutzenden Partikeln oder Gasen ein. Unter den Kindern sind es wiederum besonders diejenigen mit Asthma, die aufgrund entzündeter und hyperreaktiver Atemwege gefährdet sind.
Temperaturanstieg: Längere Allergiesaison, neue Allergene
Der Anstieg der Durchschnittstemperaturen verlängert die Pollenallergiesaison, führt zur Zunahme von Allergien und begünstigt das Auftreten neuer Allergene. Der Grund laut Stiftung Kindergesundheit: „Die klimatischen Veränderungen führen auch zu zeitlich veränderten Jahreszeiten mit einem früheren Frühlingsbeginn und oft einer längeren Pollenflugzeit“. Auch das Wachstum von Schimmelpilzen wird durch die Kombination von erhöhtem CO2, dem früheren Einsetzen des Frühlings, wärmeren Wintern sowie regional höheren Niederschlägen gefördert.
Ambrosiapflanze: Neu in Europa, fünfmal so allergen wie Gräser
Ein aktuelles Beispiel für die Zunahme von Allergien ist die durch den Klimawandel begünstigte Ausbreitung der Ambrosia. Das aus Nordamerika eingeschleppte Asterngewächs breitet sich in Europa immer weiter aus, ist fünfmal so allergen wie Gräserpollen und löst Heuschnupfen, Asthma oder atopische Dermatitis aus. „Die Pollen der Ambrosia gehören zu den aggressivsten Inhalationsallergenen“, heißt es bei der Stiftung Kindergesundheit. Experten gehen davon aus, dass Ambrosia weltweit für mehr Allergien verantwortlich ist als alle anderen Allergie-auslösenden Pflanzen zusammen. Nach aktuellen Prognosen könnte sich die Anzahl der Menschen, die aufgrund von Ambrosia-Pollen an Heuschnupfen leiden in den kommenden zwei Jahrzehnten verdoppeln. Höhere Konzentrationen an Ambrosia-Pollen und eine längere Pollensaison könnten auch den Schweregrad der Symptome verstärken.