Wer unter Schlaflosigkeit leidet, träumt vielleicht nur davon

Schlafmangel wird subjektiv oft als ausgeprägter empfunden als er objektiv ist – Foto: ©Paolese - stock.adobe.com
Patienten, die über Schlaflosigkeit klagen, schlafen oft länger, als sie denken. Warum sie die Nacht dennoch als durchwacht wahrnehmen, wollten Forscher des Universitätsklinikums Freiburg wissen. "Die meisten Patienten, die eine stark ausgeprägte Schlaflosigkeit schildern, schlafen im Schlaflabor rund 80 Prozent des normalen Pensums", sagt Dr. Bernd Feige, Forschungsgruppenleiter an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie.
Auch wenn der ausgeprägte Schlafmangel nur subjektiv als solcher empfunden wird, macht ihn das nicht weniger belastend. Die Betroffenen fühlen sich müde, wenig leistungsfähig und unkonzentriert. Nach dem Grund für diese Diskrepanz zwischen subjektiver Wahrnehmung und objektiv messbarer Schlafdauer suchen Wissenschaftler seit vielen Jahren. Das Team aus Freiburg liefert nun eine Erklärung. Sie beschreiben im Fachmagazin Sleep, dass Schlaflosigkeit in vielen Fällen nur ein böser Traum ist.
Mit Signalton aus Traumschlaf gerissen
Für ihre Untersuchung baten sie 27 Probanden mit schweren Schlafstörungen und 7 gesunde Schläfer ins Schlaflabor. In den ersten beiden Nächten gewöhnten sich die Probanden an die Umgebung. In den beiden Folgenächten weckten die Forscher die Probanden mit einem Signalton aus der REM-Phase, die auch als Traumphase bezeichnet wird.
Sobald sie aufgewacht waren, drückten die Studienteilnehmer einen Knopf, und ein Studienmitarbeiter befragte sie im abgedunkelten Zimmer. Die erste Frage war: "Haben Sie gerade geschlafen oder waren Sie wach?". Das erstaunliche Resultat: "Obwohl alle Probanden aus dem Traumschlaf geweckt wurden, war sich jeder sechste Proband mit Schlafproblemen sicher, wachgelegen zu haben", sagt Dr. Feige. Gesunde Probanden wähnten sich hingegen fast nie wach.
Wer unter Schlaflosigkeit leidet, träumt vielleicht nur davon
Befragt nach ihrer letzten Erinnerung vor dem Signalton - also nach ihren Träumen -, berichteten die vermeintlich wachen Probanden von quälenden Gedanken darüber, nicht schlafen zu können. "Offensichtlich bauen manche Menschen die Sorge vor einer Schlafstörung in ihre Träume ein", sagt Dr. Feige. Wer unter Schlaflosigkeit leidet, träumt also vielleicht nur davon.
Bei ihrer Befragung vermieden die Mitarbeiter Begriffe wie Träumen, Wecken und Schlafen, um den Probanden keinen Hinweis auf ihren Zustand zu geben. "Ganz wichtig ist: Für die Belastung der Patienten macht es keinen Unterschied, ob die Schlafstörung objektiv messbar oder nur im Traum vorhanden ist. Aber die Erkenntnis gibt uns wertvolle Hinweise zur Behandlung der Schlafstörung", sagt Studienleiter Prof. Dieter Riemann, Sprecher des Schlafmedizinischen Zentrums.
Schlaf kommt, wenn man ihn nicht erwartet
So können etablierte Traumtherapien den Betroffenen helfen oder auch Medikamente, die auf eine Stärkung der Traumphase abzielen. "Schlaflosigkeit kann eine schwere Krankheit sein und das Risiko für andere schwere Krankheiten erhöhen, etwa Depression oder Schlaganfall", sagt Prof. Riemann. Viele Insomnie-Patienten sind sehr leistungsorientiert, fokussiert und geplant. "Genau diese Strategie funktioniert aber beim Schlaf nicht. Schlaf kommt, wenn man sich von Erwartungen löst", so Prof. Riemann.
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