
Vitamin D einzunehmen ist nur für bestimmte Risikogruppen sinnvoll – Foto: gustavofrazao - Fotolia
Vitamin D ist geeignet zur Vorbeugung und Behandlung von Osteoporose. Doch wer leidet überhaupt an einem Vitamin-D-Mangel? Das wollte die Stiftung Warentest wissen und trug Forschungsergebnisse in ihrem aktuellen "test"-Heft zusammen. Sie empfiehlt die Gabe nur bei bestimmten Risikogruppen. Dazu zählen Erwachsene ab 65 Jahren. In diesem Alter verringert sich die Fähigkeit der Haut, Vitamin D zu bilden, zum Teil um die Hälfte.
Auch wer jünger ist und krankheitsbedingt nur selten an die frische Luft kommt, kann nach Rücksprache mit einem Arzt auf Vitamin-D-Präparate zurückgreifen. Auch Babys, die im ersten Lebensjahr vor direkter Sonne geschützt werden müssen, sollten Vitamin-D-Tabletten nehmen. Das gilt auch für Frauen, die ihren Körper außerhalb ihrer eigenen vier Wände verschleiern und Menschen mit farbiger Haut, die im sonnenärmeren Nordeuropa nicht ausreichend Vitamin D bilden
Vitamin D nicht auf Verdacht einnehmen
Grundsätzlich gilt: „Vitamin-D-Präparate sollten nicht auf Verdacht eingenommen werden. Sie empfehlen sich nur dann, wenn eine unzureichende Versorgung durch einen Arzt nachgewiesen wurde“, sagt Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Gesunde, aktive Menschen profitieren kaum von Vitamin-D-Präparaten .
Der Arzt kann den Patienten auf einen Vitamin-D-Mangel testen. Gesetzlich Versicherten wird dieser Bluttest nur bei begründetem Verdacht auf einen Mangel erstattet, etwa bei Osteoporose. Ansonsten müssen Arzt und Patient im Einzelfall entscheiden, ob der Test sinnvoll ist. Meist tragen die Patienten die Kosten der Untersuchung von etwa 20 bis 30 Euro selbst. Auch für Vitamin-D-Präparate zahlen Krankenkassen nur in Ausnahmen.
Vitamin D brauchen vor allem Menschen in Pflegeheimen
DGE empfiehlt einen Blutwert von 50 Nanomol pro Liter. Nach Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) bleiben etwa 60 Prozent der Deutschen darunter. Fast 20 Prozent erreichen nicht einmal 25 Nanomol je Liter. Ein schwerer Mangel (unter 12,5 Nanomol pro Liter) ist sehr selten, aber gefährlich – er führt zu Knochenleiden wie Osteomalazie oder Rachitis.
Vor allem Menschen in Pflegeheimen und Kranke von über 80 Jahren leiden überdurchschnittlich oft an schwerem Vitamin-D-Mangel, aber auch einige Kinder und Jugendliche. Auch bei etwas höheren Werten als 12,5 Nanomol je Liter ist laut RKI „häufig eine ungünstige Wirkung auf den Knochenstoffwechsel nachzuweisen“.
Schätzwerte für angemessene Versorgung
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat Schätzwerte für eine angemessene Vitamin-D-Versorgung veröffentlicht. Die Schätzwerte der DGE für Vitamin D gelten nur unter der Annahme, dass keine körpereigene Vitamin-D-Bildung stattgefunden hat: Die übliche Tagesdosis für Säuglinge beträgt 400 bis 500 internationalen Einheiten (I.E.) – das entspricht 10 bis 12,5 Mikrogramm Vitamin D. Die Internationale Einheit ist eine von der WHO festgelegte Maßeinheit, die sich an der Wirkung und nicht an der Menge eines Arzneistoffes orientiert.
Für Kinder ab einem Jahr, Jugendliche und Erwachsene gilt eine Zufuhrmenge von 800 Internationalen Einheiten. Das entspricht 20 Mikrogramm Vitamin D pro Tag. Eine überhöhte Zufuhr mit Vitamin-D-Präparaten gilt als möglich – bei einer dauerhaften Einnahme von mehr als 100 Mikrogramm am Tag. Überdosierungen erhöhen den Kalziumspiegel. Anfänglich kann das zu vermehrter Urinausscheidung, Durst und Übelkeit führen. Im fortgeschrittenen Stadium können Nierensteine oder Nierenverkalkungen entstehen. Vergiftungen mit Vitamin D sind laut Robert-Koch-Institut jedoch selten.
Was ist mit höher dosierten Präparaten?
Drogerien, Apotheken und Online-Shops verkaufen hoch dosierte Vitamin-D-Präparate, die 1.000 oder auch 2.000 I.E. enthalten. Bisweilen verordnen Ärzte diese höhere Dosierungen, um bei Patienten einen bestimmten Vitamin-D-Spiegel zu erreichen. Doch laut einer Studie aus dem Jahr 2016 nutzen hohe Vitamin-D-Spiegel durch hoch dosierte Vitamin-D-Präparate älteren Menschen nicht, um die Muskelarbeit der Beine zu verbessern. Die Studienergebnisse legen sogar nahe, dass hohe Dosierungen das Sturzrisiko erhöhen könnten. Dazu passt eine US-Studie von 2015, wonach sich die Einnahme hoch dosierter Vitamin-D-Präparate nicht auf Knochendichte, Muskelkraft und Sturzneigung auswirkt.
Nutzen und Risiken von Vitamin-D-Präparaten
Nutzen Leber und Niere wandeln Vitamin D zu aktivem Vitamin D3 um, das im Körper wie ein Hormon wirkt. Es unterstützt den Körper dabei, Kalzium aus Lebensmitteln aufzunehmen und härtet so Knochen und Zähne. Es beeinflusst auch die Muskelkraft positiv, reguliert den Kalzium- und Phosphatstoffwechsel und ist an weiteren Stoffwechselvorgängen beteiligt. In Kombination mit Kalzium können die Vitamin-D-Präparate auch vor Knochenbrüchen schützen. Wer viel Milch und Milchprodukte verzehrt, ist über die Ernährung ausreichend mit Kalzium versorgt und benötigt keine zusätzlichen Kalziumpräparate. Für Milchmuffel empfehlen sie sich diese. Vitamin-D-Präparate, auch in Standarddosierung, können das Risiko für Magen-Darm-Beschwerden und Nierensteine leicht erhöhen.
Ein regelrechter Mangel an Vitamin D - der in Deutschland selten ist - hat negative Folgen. Bei Säuglingen und Kleinkindern kann er zu Rachitis führen: Die Knochen werden nicht genug mineralisiert, bleiben weich, können sich verformen. Auch bei Erwachsenen geht ein Vitamin-D-Mangel auf die Knochen. Er kann dazu beitragen, dass Osteoporose entsteht. Dabei nimmt die Knochendichte ab, das Risiko für Knochenbrüche erhöht sich. In seltenen Fällen löst ein Vitamin-D-Mangel auch die Krankheit Osteomalazie (Knochenerweichung) mit allgemeinen Skelettschmerzen aus.
In Deutschland in den Wintermonaten zuwenig Sonneneinstrahlung
Generell gilt: Die Sonneneinstrahlung in Deutschland reicht von Oktober bis März nicht dafür aus, dass die Menschen ausreichend Vitamin D produzieren. Doch es ist nicht so, dass die Haut im Herbst und Winter gar kein Vitamin D produziert. „Der Körper bildet auch etwas Vitamin D, wenn man im Winter mit freiem Gesicht und ohne Handschuhe täglich für einige Zeit, etwa 20 bis 30 Minuten spazieren geht“, sagt Prof. Helmut Schatz, Bochum, der Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie, der Lehre von den Hormonen und dem Stoffwechsel.
Erfreulich: Unter der Frühjahrs- und Sommersonne lassen sich die Vitamin-D-Speicher leicht auffüllen, denn der Körper speichert das fettlösliche Vitamin D im Fett- und Muskelgewebe sowie der Leber. Dieser Vorrat reicht normalerweise, um ohne Mangelerscheinungen über die dunkle Jahreszeit zu kommen.
Laut Robert-Koch-Institut blocken Sonnenschutzmittel mit Lichtschutzfaktor 20 rund 95 Prozent der UV-Strahlung ab. Unklar ist allerdings, in welchem Umfang Sonnenschutzmittel die körpereigene Vitamin-D-Produktion verringern. Gesicherte Studien dazu liegen nicht vor. Fest steht, dass dabei individuelle Faktoren eine Rolle spielen wie der Lichtschutzfaktor des Sonnenschutzmittels, seine Zusammensetzung, die aufgetragene Menge, aber auch die Tageszeit, der Hauttyp und das Alter. Wer sich natürlich – also mit Sonnenlicht – mit Vitamin D versorgt, darf das Hautkrebsrisiko nicht vergessen.
Gesicht, Hände und Arme zwei- bis dreimal die Woche in die Sonne
Fachgesellschaften und Behörden haben sich in einer gemeinsamen Stellungnahme darauf geeinigt, dass es genüge, zur Vitamin-D-Bildung Gesicht, Hände und Arme zwei- bis dreimal die Woche unbedeckt ohne Creme der Sonne auszusetzen – und zwar etwa die „Hälfte der Zeit, in der man sonst ungeschützt einen Sonnenbrand bekommen würde“. Das Problem: Wann dieser Zeitpunkt erreicht ist, lässt sich nur schwer einschätzen. Außerdem können auch kleine Dosen UV-Licht, schon weit vor dem Auftreten von Sonnenbrand, die Erbsubstanz schädigen und so in der Summe Hautkrebs fördern.
Es gilt also abzuwägen. Gehen Sie so oft wie möglich nach draußen. Doch beobachten Sie dabei die Sonne: Scheint sie prall und intensiv? Dann sollten Sie auf keinen Fall wegen der Vitamin-D-Produktion auf Sonnenschutzmittel verzichten. Das gilt besonders, aber nicht nur für Kinder. Die Haut bildet auch im Schatten, früh morgens oder abends und selbst bei bedecktem Himmel Vitamin D. Wer sich also ohne Sonnenschutz im Freien aufhalten will, sollte bewusst solche Zeiten und Situationen wählen. Doch Achtung: Auch dann sind Sie nicht gänzlich vor Sonnenbrand gefeit. Entscheidend sind Jahreszeit, Wetterlage, Höhenmeter, Wassernähe, geografischer Breitengrad, Tageszeit und Hauttyp.
Kann ich Vitamin D über das Essen aufnehmen?
Mit Lebensmitteln lässt sich nur ein kleiner Teil des Vitamin-D-Bedarfs decken, etwa 10 bis 20 Prozent. Es gibt nur wenige Lebensmittel, die nennenswert viel Vitamin D enthalten. Mit Abstand am meisten davon steckt in fettem Seefisch wie Lachs oder Hering. In deutlich geringerem Maße liefern Leber, Eigelb und einige Pilze wie Pfifferlinge und Champignons Vitamin D. Lagerung und Zubereitung beeinträchtigen Vitamin D nur wenig, etwa um 10 Prozent.
Es ist niemals sinnvoll, ins Solarium zu gehen und schon gar nicht, um die Vitamin-D-Produktion anzukurbeln. Solarienbesuche erhöhen nach Einschätzung des Bundesinstituts für Strahlenschutz das Hautkrebsrisiko. Für Kinder und Jugendliche ist es verboten, die Sonnenbänke zu nutzen.
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