Wenn die Stimmung besser ist als die Lage: Optimismus kann man lernen

Glückspilz oder Pechvogel: eine Frage der äußeren Umstände – aber auch der persönlichen Art und Weise, mit Missgeschicken umzugehen. – Foto: AdobeStock/Feodora
Schon wieder in der falschen Supermarkt-Kassenschlange! Die Kassenrolle geht plötzlich zu Ende; jemand lässt eine Flasche fallen und Sauerei und Scherben müssen erst mal unter Kontrolle gebracht werden, damit es weitergehen kann; eine Reklamation – und der gerufene Filialleiter will einfach nicht beikommen. Manche Leute neigen dazu, Missgeschicke persönlich zu nehmen: Warum immer ich? Glück zu haben, ist doch ein legitimes menschliches Grundbedürfnis!
Wichtig für Glück oder Pech: Persönlichkeitsmerkmale und eigenes Verhalten
Das eine sind die äußeren Umstände, die im Leben oft frustrierend, traurig und tragisch sein können. Das andere ist die Frage, in welchen Gedanken- und Gefühlsmustern wir das Erlebte verarbeiten. Selbst wenn man sich als Pechvogel empfindet: Das Schicksal hat sich mit großer Wahrscheinlichkeit nicht gegen einen verschworen. „Der britische Psychologe Richard Wiseman fand bereits in den 1990er-Jahren heraus, dass Glück oder Pech weniger von höheren Mächten, sondern von Persönlichkeitsmerkmalen und eigenem Verhalten abhängen“, sagt Birgit Lesch, Diplom-Psychologin bei der AOK. „Wie glücklich wir sind, hängt maßgeblich davon ab, was wir denken und wie wir mit Situationen umgehen. Und das können wir selbst beeinflussen."
Glückskinder erhöhen ihre Chancen auf Glück
Forschungen zu dem Thema zeigen: Menschen, die sich als Glückskinder empfinden, kommunizieren mehr, sind entspannter und blicken optimistisch in die Zukunft – und sie besitzen die Gabe, das Gute in jeder Lebenslage zu sehen. Damit erhöhen sich ihre Chancen auf Glück.
Pechvögel erwarten Negatives – und steigern die Wahrscheinlichkeit dafür
Umgekehrt werden Pessimisten leicht zum Opfer ihrer eigenen Befürchtungen. Der österreichische Philosoph und Psychotherapeut Paul Watzlawick prägte hierfür den Begriff der „sich selbst erfüllenden Prophezeihung“. Das dazu passende Sprichwort für die Fixierung auf ein theoretisches Unheil: „Wie das Kaninchen auf die Schlange starren.“ Wenn man also etwas Negatives erwartet, tritt das auch eher ein, als wenn man sich eine Situation positiv ausmalt. „Pechvögel neigen zu Pessimismus und fühlen sich eher als Opfer äußerer Umstände“, sagt AOK-Psychologin Lesch. „Dabei übersehen sie, dass Glück oder Pech einfach viel mit Statistik zu tun hat."
Wie man sich in der Warteschlange positiv einrichtet
Ein Beispiel für die Bedeutung der Statistik: die Warteschlange. Je mehr Kassen geöffnet haben, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich in der „falschen“ Schlange stehe. Und steht man in der vermeintlich falschen Schlange, kann man sich darüber ärgern – oder zum Beispiel das Warten als eine willkommene Auszeit nutzen, um Leute zu beobachten, etwas zu lesen oder sich auf den Atem zu konzentrieren.
Je nach Veranlagung und Bewusstsein kann man versuchen, der Opferrolle zu entkommen und seinem Glück im Rahmen seiner Möglichkeiten aktiv auf die Sprünge zu helfen. Pechvögel müssen keine Pechvögel bleiben, denn Strategien für mehr Glück kann man lernen. Studien zeigen, dass eine optimistische beziehungsweise pessimistische Lebenshaltung nur zu einem kleinen Teil angeboren ist. „Nach einem Missgeschick beispielsweise kann man sein Pech beklagen, dass einem so etwas passiert ist“, sagt AOK-Psychologin Lesch. „Oder sein Glück betonen, dass man den Vorfall ohne größere Schäden überstanden hat."
Sechs Tricks für mehr Glück
- Stopp sagen: Negative Gedanken machen sich in unseren Köpfen per se stärker breit als positive. Wenn sie auftauchen, kann man sie aktiv in Schranken weisen: innerlich – der durch ein lautes „stopp!“.
- Tagesrückblick schreiben: Sich abends drei Dinge notieren, die gut gelaufen sind, worüber man sich gefreut hat oder wofür man dankbar ist.
- Sich in Achtsamkeit üben: Sich ganz bewusst auf den aktuellen Moment konzentrieren und versuchen, ihn mit allen Sinnen wahrzunehmen. Das sorgt für mehr Ausgeglichenheit.
- Soziale Kontakte pflegen: Sich Zeit für Menschen nehmen, die einem gut tun. Das erweitert den eigenen Horizont, lenkt von eigenen Problemen ab und stärkt das Selbstbewusstsein.
- Sich mehr bewegen: Körperliche Aktivität setzt Glücksstoffe frei, das Wohlbefinden steigt und die Gedanken wenden sich zum Positiven.
- Sich gut vorbereiten: Wenn Prüfungen, Auftritte, wichtige Termine anstehen, ist eine gute Vorbereitung die halbe Miete.
Optimismus heißt nicht: Negatives verdrängen
„Positiv denken bedeutet dabei nicht, Negatives auszublenden“, sagt AOK-Psychologin Lesch. „Schwere Lebensumstände wie Armut, Flucht, Gewalterfahrungen, Verluste, lassen sich nicht positiv umdeuten. Doch entwickelt man Zuversicht, stärkt das auch die Widerstandskraft, die sogenannte Resilienz, sodass man mit widrigen Umständen besser fertig wird." Es gehe nicht darum, Angst oder Trauer zu verdrängen, sondern auch diesen schwierigen Gefühlen bewusst zu begegnen. Psychologin Lesch: „Mehr Offenheit hilft dabei, nicht nur die Probleme zu sehen, sondern auch auf Lösungen zu kommen."