
Entspannungsübungen können dazu beitragen, Stress besser zu verarbeiten – Foto: frankie´s - Fotolia
Lange Zeit haben sich psychologische Forschungen auf Krankheitsbilder und Therapieverfahren konzentriert. Seit einigen Jahren steht jedoch auch die Frage im Fokus, warum viele Menschen trotz schwerer Krisen und Stress gesund bleiben und eben keine Depressionen, Angststörungen oder Suchterkrankungen entwickeln. Offenbar verfügen diese Personen über eine bestimmte seelische Widerstandskraft. Psychologen, Neurowissenschaftler und Mediziner versuchen seitdem, dem Geheimnis dieser Resilienz auf die Spur zu kommen – unter anderem, um daraus wirksame Präventionsmaßnahmen zur Vorbeugung seelischer Erkrankungen zu entwickeln.
Auch die Forscher am Deutschen Resilienz-Zentrum (DRZ) in Mainz, dem europaweit ersten Zentrum für Resilienzforschung, suchen nach Voraussetzungen und Strukturen der Resilienz. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie das Gehirn eine bestimmte Situation oder einen Reiz bewertet und wie es zu dieser Bewertung kommt „Wir wollen verstehen, welche Vorgänge im Gehirn Menschen dazu befähigen, sich gegen die schädlichen Auswirkungen von Stress zu schützen und wie diese Resilienzfaktoren gezielt trainiert und langfristig verstärkt werden können“, erklärt Professor Klaus Lieb, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz und stellvertretender Sprecher des Deutschen Resilienz-Zentrums.
Selbstwirksamkeit und soziale Kontakte stärken die Resilienz
Mittlerweile sind einige Faktoren für eine stabile Resilienz gut belegt. Dazu zählt die Fähigkeit, regelmäßig und besonders in schwierigen Situationen positive Gefühle in sich erzeugen zu können. Das ist weit mehr als das oft beschworene „positive Denken“, denn es beinhaltet durchaus die Wahrnehmung schwieriger Umstände – doch ohne dass der Blick auf die schönen Dinge in der Welt verloren geht. Auch Optimismus gehört dazu und vor allem das Vertrauen in die Fähigkeit, Anforderungen aus eigener Kraft bewältigen und Dinge verändern zu können (Selbstwirksamkeit). Menschen, die über eine gute Resilienz verfügen, neigen nicht dazu, sich als Opfer der Umstände zu sehen, sondern glauben daran, ihr Schicksal weitgehend in die eigenen Hände nehmen zu können.
Resilienten Menschen gelingt es zudem meist gut, zwischen den Dingen, die sie verändern können, und denen, die sie nicht verändern können, zu unterscheiden. Ein weiterer überaus wichtiger Faktor für Resilienz ist zudem ein funktionierendes soziales Netzwerk, also Menschen, denen wir vertrauen, und bei denen wir uns in Notlagen tatsächlich auch Hilfe holen.
Resilienz kann man trainieren
Auch die Genetik scheint bei der individuellen Resilienz eine Rolle zu spielen. Bei einigen Menschen lösen Belastungen schneller körperliche und seelische Stressreaktionen aus als bei anderen. Dennoch weiß man heute, dass Resilienz eine Fähigkeit ist, die jeder Mensch zu jedem Zeitpunkt seines Lebens aufbauen und trainieren kann – auch unabhängig von seiner genetischen Veranlagung.
Doch wie genau kann man Resilienz trainieren? Hier gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Möglich ist es, an den Stressoren selbst anzusetzen und sie zu reduzieren, beispielsweise, indem man sich Unterstützung bei anderen holt. Die eigenen Reaktionen kann man beeinflussen, indem man die physiologische Anspannung mittels Entspannungsverfahren reduziert. Aber auch an der inneren Einstellung kann gearbeitet werden, indem negative Situationen umbewertet werden. Die Fokussierung auf die eigenen Fähigkeiten und die Wahrnehmung der Tatsache, dass wir Dinge tatsächlich ändern können, stärkt die Resilienz weiter. Andere wichtige Maßnahmen sind die allgemeine Stärkung der Widerstandskraft durch ausreichend Erholung, Sport, Entspannung, soziale Kontakte oder Hobbies.
Auch Arbeitgeber und Gesellschaft sind gefragt
Auch im Arbeitsleben spielt das Thema Resilienz eine wichtige Rolle, denn gerade hier kann eine ständige Überforderung zu chronischem Stress und sogar psychischen Erkrankungen führen – und das sogar bei sonst widerstandsfähigen Menschen. Denn durch eine Verdichtung der Arbeitsabläufe, durch die Zunahme moderner Techniken sowie durch die Forderung nach ständiger Erreichbarkeit nimmt der Stress am Arbeitsplatz immer weiter zu. Neben der Stärkung der eigenen Resilienz und der Fähigkeit, auch mal Nein zu sagen, sind hier auch die Arbeitgeber gefragt, für gesunde Arbeitsbedingungen und positive Umweltfaktoren zu sorgen. Die Stärkung der Resilienz ist somit nicht mehr nur eine individuelle Angelegenheit, sondern wird zunehmend auch zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe.
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