Weiterbildung zum Allgemeinchirurgen: Chirurgen kritisieren BÄK

Ist in der Chirurgie noch eine generalistische Ausbildung möglich?
Die Bundesärztekammer (BÄK) will an einer generalistischen Weiterbildung zum Allgemeinchirurgen festhalten. Dagegen wenden sich die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), der Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC) und weitere chirurgische Fachgesellschaften und Verbände. „Die Forderung nach einem eigenständigen Facharzt für Allgemeinchirurgie in der derzeitigen Form kann (…) nur als Rückschritt gewertet werden“, heißt es in einem Schreiben der Chirurgenverbände an die Bundes- und Landesärztekammern. Damit würden heute etablierte Qualitätsstandards und die Patientensicherheit gefährdet, so die Experten. Auch eine Verkürzung der Weiterbildungszeit um ein Jahr lehnen sie ab.
Chirurgen halten Spezialisierung für unumgänglich
Die meisten deutschen Kliniken haben sich der fortschreitenden Spezialisierung bereits angepasst und verfügen über eine Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie sowie eine weitere für Orthopädie und Unfallchirurgie. „Damit bilden Krankenhäuser heute in ihrer Organisation den hohen Spezialisierungsgrad in den chirurgischen Fächern ab und entwickeln sich vermehrt in Richtung der auch von der Politik geforderten Zentren“, erklärt Professor Hans-Joachim Meyer, Generalsekretär der DGCH und Präsident des BDC. Nur in diesen spezialisierten Einheiten sei der einzelne Operateur imstande, die notwendige Expertise für die Behandlung seiner Patienten zu entwickeln, so Meyer.
Ein Chirurg, der einen Darmkrebs exzellent operiert, könne nicht genauso erfahren in der Chirurgie des Gelenkersatzes sein, erklärt der Experte weiter. Das sieht die die Ständige Kommission „Ärztliche Weiterbildung“ der BÄK offenbar anders, denn ihre aktuelle Planung zur anstehenden Novellierung der Musterweiterbildungsordnung im Gebiet Chirurgie sieht ein Festhalten an der Weiterbildung zum Allgemeinchirurgen vor. Dieser darf ohne tiefergehende Spezialisierung eine Vielzahl an Eingriffen vornehmen. Das Gremium will damit unter anderem dem drohenden Ärztemangel in bestimmten Regionen entgegenwirken.
Kritik an geplanter Verkürzung der Weiterbildungszeit
Die gemeinsame Weiterbildungskommission von DGCH, den chirurgischen Fachgesellschaften und Berufsverbänden kritisiert diese Pläne hingegen scharf. Bereits im Oktober 2015 hatten die Chirurgen einstimmig entschieden, dass der Facharzt für Allgemeinchirurgie nicht weitergeführt werden sollte. „Die Zeiten, in denen ein einzelner Chirurg einen Patienten von Kopf bis Fuß angemessen operieren konnte, sind längst vorbei“, erklärt Tim Pohlemann, Präsident der DGCH. Aus gutem Grunde habe sich aufgrund der Komplexität operativer Eingriffe eine grundsätzliche Zweiteilung ergeben – zum einen die Konzentration auf die Weichteilchirurgie, die Allgemein- und Viszeralchirurgie, zum anderen der Schwerpunkt Skelett und Knochen, die Unfallchirurgie und Orthopädie. „Diese Entwicklung sollten wir auch in der künftigen Weiterbildung abbilden, um keine Verschlechterung in der operativen Versorgung zu riskieren“, so der DGCH-Präsident.
„Wir brauchen keine Festschreibung eines real nicht mehr existierenden ‚Pseudo-Generalisten‘ in der Chirurgie“, bemängelt Pohlemann. „Sollten erweiterte Kompetenzen, vertreten durch eine Person, nötig sein, wie beispielsweise in der Einsatzchirurgie der Bundeswehr, können diese auch jetzt schon erfolgreich durch Doppel- und Dreifachqualifikationen erlangt werden.“
Ihre Kritik haben die Chirurgen jetzt in einem Schreiben an die Bundes- und Landesärztekammern formuliert. Darin wird auch die geplante Verkürzung der Weiterbildungszeit von derzeit sechs auf fünf Jahre abgelehnt. „Die exakt auf sechs Jahre ausgelegten Weiterbildungsinhalte, immer neue therapeutische Verfahren und die zunehmende Spezialisierung machen gerade in den operativen Fächern häufiges Praktizieren notwendig“, so Meyer. Und das brauche Zeit.
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