Wegen Mutationen: Virologe prophezeit Ausgangssperren

Die Mutationen könnten uns um die Ohren fliegen, meint Virologe Martin Stürmer aus Frankfurt – Foto: Foto: © Adobe Stock/cristianstorto
Die Infektionszahlen in Deutschland sinken seit Wochen. Der seit Dezember bestehende Lockdown scheint also zu wirken. Virusmutationen wie die aus England könnten jedoch einen Strich durch die Rechnung machen. Studien zufolge soll die Mutante B.1.1.7 um 30 bis 50 Prozent ansteckender sein als die bisher in Deutschland vorherrschende Variante. Epidemiologisch macht es einen großen Unterschied, ob 10 Infizierte 9 weitere oder 15 weitere Menschen anstecken.
Der Virologe Martin Stürmer von der Universität Frankfurt ist überzeugt: Wenn die neue Variante die alte ersetzt, werden die Infektionszahlen wieder nach oben klettern. Die bisherigen Maßnahmen reichten dann nicht mehr aus, erklärter er im Interview mit N-TV. Sie seien jetzt schon löchrig, wie das stetige „Grundrauschen“ an Neuinfektionen zeige.
Das mutierte Virus überträgt sich noch leichter
„Das mutierte Virus überträgt sich noch leichter und wird daher noch konsequenter unsere Nachlässigkeiten ausnutzen“, sagte Martin Stürmer. Etwa, dass die Kassiererin vier Stunden ungeschützt hinter einer Plexiglasscheibe sitze. „Mit der neuen Variante geht das dann nicht mehr gut. Wir müssen also die Schutzmaßnahmen noch konsequenter anwenden.“
Der Virologe befürchtet, dass die Mutationen bereits jetzt schon unerkannt für Ausbrüche in Deutschland sorgen. Darum komme es jetzt darauf an, zu wissen, wie aktiv die neue Variante schon sei, betonte er. „Wenn wir lockern ohne Kenntnis der genauen Dynamik, die die neuen Varianten in Deutschland haben, öffnen wir ein Einfallstor für die Mutanten.“ Dann könne es sein, dass „uns das um die Ohren fliegt.“
Es könnten noch schärfere Mittel kommen
Noch sei es nicht so weit, aber die Gesellschaft müsse sich darauf einstellen, dass es ab einem bestimmten Zeitpunkt „notwendig sein wird, die Maßnahmen noch mal deutlich zu verschärfen. Das beinhaltet natürlich auch scharfe Mittel wie umfassende Ausgangssperren“, sagt Stürmer.
Die Null-COVID-Strategie, die von einigen Wissenschaftlern ins Spiel gebracht wurde, hält er für unrealistisch. Denn das Virus werde man nie ganz los. Umgekehrt hält er eine Inzidenz von 50 für zu hoch. Ziel müsse sein, die Zahl der Neuinfektionen auf ein so niedriges Level zu drücken, wie es nur ginge. „Denn wir wissen nicht, was das Virus auf Dauer mit uns anrichtet.“