Wechseljahrsbeschwerden: Trendwende bei der Hormontherapie?

Experten geben Entwarnung für die Hormonersatztherapie – Foto: ©Rido - stock.adobe.com
In den Wechseljahren stellen die Eierstöcke allmählich ihre Hormonproduktion ein. Für viele Frauen ist das mit den typischen Beschwerden wie Hitzewallungen, Schweißausbrüchen, Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen verbunden; bei etwa 20 bis 30 Prozent der Betroffenen können diese durch den Östrogenmangel bedingten Beschwerden so stark werden, dass sie den Tagesablauf und die Lebensqualität massiv beeinträchtigen. Eine Hormonersatztherapie kann diesen Frauen dann helfen. Doch viele Patientinnen haben Angst vor den Nebenwirkungen, denn die Hormonersatztherapie stand lange im Verdacht, das Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle, Embolien und Brustkrebs zu erhöhen.
Skepsis gegenüber Hormontherapie unbegründet?
Zurückzuführen sind diese Befürchtungen auf eine Studie der Women's Health Initiative (WHI) aus dem Jahr 2002. Wurden vorher Frauen in den Wechseljahren noch relativ sorglos Hormone verschrieben, kam die Veröffentlichung der Studie einer Zeitenwende gleich. Viele Frauen setzten ihre Hormonpräparate ab, und auch Ärzte wurden zurückhaltender bei der Verschreibung der Mittel.
Was bei der damaligen Diskussion kaum erwähnt wurde: Das Studiendesign lässt durchaus Zweifel an den Ergebnissen zu. „Nicht bedacht wurde bei der Interpretation der Daten, dass das Durchschnittsalter der Frauen in dieser Studie mit 63 Jahren sehr viel höher lag als bei Frauen im üblichen menopausalen Alter, also um die 50“, erklärt Dr. Cornelia Jaursch-Hancke, leitende Ärztin des Fachbereichs Endokrinologie/Diabetologie an der DKD HELIOS Klinik Wiesbaden, in einer Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologen (DGE). „Zudem waren die Teilnehmerinnen im Durchschnitt fettleibig und hatten Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes, Fettstoffwechselstörungen und erhöhten Blutdruck: Sie waren nicht gesund“, so die Medizinerin. Sie und andere Experten kritisieren, dass vielen Frauen heute eine sinnvolle Behandlung ihrer menopausalen Beschwerden vorenthalten werde. Stattdessen verordnen Ärzte eher Antidepressiva, Schlafmittel und „alternative Substanzen“, deren Wirksamkeit nicht durch Studien gesichert sei.
Hormone können Frauen in den Wechseljahren helfen
Wie die DGE betont, zeigen neuere Studiendaten aus Dänemark und eine Re-Evaluation der jüngeren Frauen der WHI-Studie im Alter von 50 bis 60 Jahren, dass eine frühe Hormontherapie in der Menopause die Symptome nicht nur effektiv behandelt, sondern sich sogar günstig auf das Herz-Kreislauf-System und die Todesrate auswirkt. Eine alleinige Östrogentherapie kann den Ergebnissen zufolge sogar das Brustkrebsrisiko senken. Sie ist allerdings in der Regel Frauen vorbehalten, die keine Gebärmutter mehr haben. Bei intakter Gebärmutter kann ein Östrogenüberschuss Wucherungen der Schleimhaut hervorrufen. Die Frauen erhalten daher normalerweise zum Östrogen noch ein Gestagen, das solchen Wucherungen entgegenwirkt.
Eine Hormonersatztherapie könnte sich bei Frauen in der Menopause auch positiv auf die Knochen auswirken, so Professor Sven Diederich, Ärztlicher Leiter Medicover Deutschland und Vizepräsident der DGE aus Berlin. „Ob eine Frau aber von einer im sechsten Lebensjahrzehnt durchgeführten Hormontherapie hinsichtlich der Erkrankung Osteoporose profitiert, die meist erst im Alter über 70 Bedeutung beginnt, ist nicht belegt und eher fraglich“, so der Experte. Seiner Meinung nach sollte daher nicht prinzipiell jeder Frau in den Wechseljahren eine Hormonersatztherapie angeboten werden. Denn ganz ohne Risiken sei sie nicht. So gebe es beispielsweise ein gering erhöhtes Thromboserisiko unter der Hormontherapie, das sich aber durch eine geeignete Applikationsform zum Beispiel über die Haut minimieren lasse.
Nicht jede Frau benötigt Hormonersatztherapie
Zu beachten sei auch, dass viele Frauen ohne eine Hormontherapie gut und zufrieden durch die Menopause kommen, so Diederich. Doch den Frauen, die tatsächlich unter starken Beschwerden leiden, könne nun wieder „mit gutem Gewissen“ durch eine Hormonersatztherapie geholfen werden. Wichtig sei es, mit dem Arzt über die Dauer der Therapie zu sprechen. „Fünf Jahre Hormontherapie ist mit Blick auf mögliche Risiken die richtige Zeitspanne“, erklärt der DGE-Vize. Wichtig sei es auch, dass man diese Therapie dann ausschleiche und die Patientin begleite. Sonst seien die Beschwerden gleich wieder da, was dann zu einer dauerhaften Fortführung motivieren kann. Das sollte aber aufgrund der negativeren Datenlage bei längerer Therapie und über 60-jährigen Frauen vermieden werden.
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