Warum Stress während der Schwangerschaft die Psyche des Kindes gefährdet

Leidet die werdende Mutter vor der Geburt unter starkem Stress, kann das auch dem Kind schaden – Foto: ©kjekol - stock.adobe.com
Stress vor der Geburt ist nichts Ungewöhnliches. Viele Frauen erleben während und nach einer Schwangerschaft ein Auf und Ab der Gefühle, leiden unter Selbstzweifeln, Ängsten und Schlafstörungen. Traurigkeit und Angst können dabei sogar so stark zunehmen, dass daraus eine ernsthafte Depression wird. Das kann auch für die Entwicklung des Kindes problematisch sein, denn vermehrter Stress während der Schwangerschaft erhöht das Risiko, dass das Kind später selbst unter größerer Stressanfälligkeit oder psychiatrischen Erkrankungen leidet. Forscher haben nun einen molekularen Mechanismus identifiziert, der dafür verantwortlich sein könnte.
Betroffene Kinder später selbst stressanfälliger
Bisherige Studien konnten zeigen, dass Stress das Risiko des ungeborenen Kindes erhöht, später im Leben an einer Reihe an gesundheitlichen Problemen zu leiden. So haben betroffene Kinder später selbst häufiger eine erhöhte Sensibilität gegenüber Stress, leiden unter kognitiven Defiziten, einer erhöhten Anfälligkeit für psychiatrische Störungen sowie Verhaltenssaufälligkeiten.
Forscher unter der Leitung des Max Planck Instituts für Psychiatrie und der Simon Fraser Universität in Vancouver haben nun untersucht, woran das liegen könnte. Den Wissenschaftlern ist es dabei gelungen, einen molekularen Mechanismus zu identifizieren, der für diesen Zusammenhang verantwortlich sein könnte. Die Ergebnisse der Studie wurden im Fachmagazin „PNAS“ publiziert.
Epigenetische Veränderungen verantwortlich
Die Wissenschaftler nutzten menschliche Gehirnzellen, um die genauen Effekte von Stresshormonen während der fötalen Entwicklung zu beobachten. Dabei stellten sie fest, dass chronischer Stress während der frühen Neubildung von Nervenzellen zu einer langfristigen Veränderung in einem wichtigen epigenetischen Prozess, der DNS-Methylierung, führt. Zusätzlich konnten sie zeigen, dass bei erneutem Stress diese epigenetischen Veränderungen zu einer erhöhten Sensibilität gegenüber nachfolgendem Stress führen.
Sensibilität für Stress erhöht
Um diese Erkenntnisse vom Labor auf den Menschen übertragen zu können, wurden zusätzlich Nabelschnurblutzellen von Neugeborenen untersucht, die während der Schwangerschaft hohem Stress wie Depressionen und Angststörungen der Mutter oder eine Stresshormongabe ausgesetzt waren. Es konnte beobachtet werden, dass die epigenetischen Veränderungen in den Neuronen und die, die in den Genen der gestressten Neugeborenen gefunden wurden, miteinander übereinstimmten. Diese epigenetischen Markierungen können als „Erinnerungen der Zelle“ an vergangenen Stress gesehen werden, welche die Sensibilität des Individuums auf zukünftigen Stress beeinflussen könnten.
Stress vor der Geburt eines Kindes scheint also nicht nur die Entwicklung der Nervenzellen zu verändern, sondern auch die Reaktion auf Stress im späteren Leben. Dieses Wissen gibt nicht nur Aufschluss über die möglichen Langzeiteffekte früher Umweltweinflüsse, sondern könnte dabei helfen, Strategien für präventive Maßnahmen zu entwickeln, so die Forscher.
Foto: © kjekol - Fotolia.com