Videospielsucht soll als psychische Krankheit anerkannt werden

Manche "Gamer" verlieren sich im Dickicht der Computerspiele – Foto: ©Drobot Dean - stock.adobe.com
Videospiele können süchtig machen. Davon ist die Weltgesundheitsorganisation (WHO) überzeugt. Sie will daher die Videospielsucht (Gaming disorder) in die neue Klassifikation der Krankheiten (ICD) als eigenständige Erkrankung aufnehmen. Bisher wurde die Störung, wenn überhaupt, als Unterform der substanzungebundenen Abhängigkeiten betrachtet. Um behandelt zu werden, konnte die Video- oder Computerspielabhängigkeit zu den Störungen der Impulskontrolle oder zum pathologischen Glücksspiel gezählt werden. Die Diagnose- und Therapieoptionen waren damit jedoch erheblich eingeschränkt. Durch die Anerkennung als eigenständige Erkrankung wird die Behandlung voraussichtlich erleichtert werden.
Drei Hauptkriterien für Diagnose
Natürlich ist nicht jeder, der gerne und viel am Computer spielt, gleich süchtig. Nach Angaben der WHO müssen drei Hauptmerkmale erfüllt sein, um von einer Sucht zu sprechen:
- Der Spieler hat nur noch eine eingeschränkte Kontrolle über das Spielen (d.h. den Beginn, die Dauer, die Häufigkeit, die Beendigung oder die Intensität).
- Das Spielen erhält eine immer größere Priorität und verdrängt andere Lebensinteressen und tägliche Aktivitäten.
- Das Spielen wird fortgesetzt und sogar noch gesteigert, obwohl bereits negative Konsequenzen aufgetreten sind.
Weiter heißt es in der Erklärung der WHO: „Das Verhaltensmuster ist so schwerwiegend, dass es in persönlichen, familiären, sozialen, erzieherischen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen zu erheblichen Beeinträchtigungen kommt. Das Muster des Spielverhaltens kann kontinuierlich oder episodisch und wiederkehrend sein.“ Für die Diagnosestellung sollte das Verhalten zudem über einem Zeitraum von mindestens 12 Monaten bestehen.
Kritik an der Entscheidung
Die Entscheidung der WHO stößt nicht nur auf Zustimmung, sondern erntet auch Kritik, beispielsweise von der Vereinigung amerikanischer Psychologen. Deren Vertreter monieren, dass viele Aspekte des Krankheitskonzepts umstritten bleiben. Im Abstract einer aktuellen Publikation heißt es: „Gegenwärtig herrscht bezüglich diagnostischer Kriterien und geeigneter Symptome wenig Klarheit.“ Es sei in der Forschung noch gar nicht geklärt, ob Symptome, die mit problematischem Videospielverhalten einhergehen, als neue Störung auszumachen oder Ausdruck eines zugrundeliegenden psychischen Zustands sind. Zudem gibt die Vereinigung zu bedenken, dass die aktuellen Ansätze zum Verständnis von Videospielsucht ihre Grundlage in der Drogenmissbrauchs-Forschung haben und nicht notwendigerweise auf den Medienkonsum übertragen werden könnten.
Einige Wissenschaftler warnen zudem noch vor ganz anderen Folgen. Sie fürchten, dass die neue Klassifikation Verbote entsprechender Inhalte, die Einschränkung von Werbung sowie Warnsymbole auf Verpackungen nach sich ziehen könnte. Die jetzt als Entwurf vorliegende Version 11 des ICD der WHO soll im Mai 2018 offiziell verabschiedet werden.
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