Vaginales Mikrobiom könnte Schwangerschaftsstress übertragen

Großer Stress während der Schwangerschaft kann dem Kind schaden – Foto: ©OnAir - stock.adobe.com
Zahlreiche epidemiologische Studien zeigen, dass Kinder von Müttern, die während ihrer Schwangerschaft großem Stress ausgesetzt waren, später eher zu neuropsychologischen Entwicklungsstörungen und psychischen Erkrankungen neigen als andere. Dazu, wie der Stress der Mutter diese Störungen beim Kind befördert, gibt es bisher unterschiedliche Theorien. Nun haben Forscher der University of Maryland School of Medicine in Baltimore die These aufgestellt, dass das durch Stress veränderte vaginale Mikrobiom der Mutter eine Rolle spielen könnte. Durch Tierversuche konnten sie ihre Vermutung bestätigen.
Cortisolspiegel bei Kindern gestresster Mütter erhöht
Üblicherweise wird die Übertragung von Stress der Mutter auf den Fötus durch den erhöhten Cortisolspiegel erklärt. Zwar schützen Enzyme der Plazenta das Kind vor zu viel Aufregung der Mutter. Doch etwa zehn Prozent des mütterlichen Stresshormons erreichen den Organismus des Ungeborenen - genug, um einen beträchtlichen Einfluss auszuüben. Dies konnten vor einigen Jahren Forscher der Hans-Berger-Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Jena zeigen.
Die Wissenschaftler spritzten trächtigen Schafe Betamethason, ein synthetisches Präparat, das wie Cortisol zu den Glucocorticoiden gehört. Der Wirkstoff wird auch schwangeren Frauen bei drohenden Frühgeburten gegeben. Das Positive: Betamethason lässt die Lunge schneller reifen und erhöht damit die Überlebenschancen von Frühchen. Doch die negative Folge ist, dass das Hormon nicht nur eine schnellere Reifung der Lungen, sondern auch des Gehirns bewirkt. Das Problem der frühzeitigen Reifung der Hirnstrukturen ist jedoch, dass dies auf Kosten von Wachstum und Zellteilung geht, und dies führt später zu einer schlechteren Stressverarbeitung sowie zu einem erhöhten Risiko für Depressionen und andere psychische Probleme.
Spielt auch das vaginale Mikrobiom eine Rolle?
Eine weitere Erklärung für den negativen Einfluss des mütterlichen Stresses auf die neuropsychologische Entwicklung des Kindes haben nun Wissenschaftler aus Baltimore zu finden versucht. Sie vermuteten, dass das vaginale Mikrobiom eine Rolle spielen könnte. Die Erklärung für diese These: Die Bakterien im Geburtskanal bilden die Grundlage für die Entwicklung der Darmflora der Kinder. Die Darmbakterien wiederum sind von großer Bedeutung für das Immunsystem, was Auswirkungen auf die Hirnentwicklung haben könnte. Diese Zusammenhänge zwischen Immunsystem und Hirnstrukturen sind seit einiger Zeit Inhalt des Forschungsgebiets der sogenannten Psychoneuroimmunologie. Ihre These konnten die Forscher nun in einer aktuellen Studie an Mäusen bestätigen.
Es zeigte sich, dass die Babys von Mäusen, die vermehrtem Stress ausgesetzt waren, untergewichtig und zu klein waren sowie einen erhöhten Stresshormonspiegel aufwiesen. Um zu zeigen, dass dies mit den vaginalen Bakterien zu tun hat, wurden andere Jungtiere, die nach einer stressfreien Schwangerschaft per Kaiserschnitt geboren wurden, dem vaginalen Mikrobiom eines gestressten Muttertieres ausgesetzt. Auch bei ihnen zeigten sich dieselben Entwicklungsstörungen. Die Übertragung des Mikrobioms nicht gestresster Muttertiere war dagegen nicht in der Lage, die Folgen einer mit Stress belasteten Schwangerschaft rückgängig zu machen
Dauerhafter Stress führt zu epigenetischen Veränderungen
Ob die Effekte, die in den Tierversuchen gefunden wurden, auch bei Menschen auftreten, müsse erst noch gezeigt werden, so Studienleiterin Tracy Bale. Allerdings wurde schon in früheren Studien gezeigt, dass auch der Stress des Vatertieres Einfluss auf die Gehirnentwicklung der Kinder nehmen kann. Hier war – anders als bei den Muttertieren – der im gesamten Leben erlebte Stress der Auslöser. Vermutet wird, dass die Ursache epigenetische Veränderungen in der DNA der Spermien sind, welche dann die neuropsychologische Entwicklung der nächsten Generation beeinflusste. Dies passt auch zu anderen aktuellen Forschungen, die zeigen, dass beispielsweise psychische Traumata durch epigenetische Veränderungen über mehrere Generationen hinweg vererbt werden können.
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