Smartwatches diagnostizieren Vorhofflimmern

Vorhofflimmern gehört zu den häufigsten Ursachen für einen Schlaganfall. Im Bild eine Smartwatch, die den Herzrhythmus aufzeichnen kann.
Vorhofflimmern wird oft erst viel zu spät entdeckt. Dabei ist das Schlaganfallrisiko immens. Gut ein Drittel bis die Hälfte aller Schlaganfälle werden durch die häufigste Herzrhythmusstörung ausgelöst. Denn: Durch den unregelmäßigen Herzschlag sammeln sich in den Vorhöfen Thromben. Wandern die Blutgerinnsel ins Gehirn, kommt es zu einem Gefäßverschluss. Ärzte sprechen dann von einem ischämischen Schlaganfall, manchmal auch von einem Hirninfarkt oder einem Apoplex. Gemeint ist aber immer dasselbe: Hirngewebe stirbt aufgrund von Mangeldurchblutung ab. In der Regel sind durch Vorhofflimmern ausgelöste Schlaganfälle besonders schwer. Fast immer ist die linke Gehirnhälfte betroffen, wo auch das Sprachzentrum liegt.
Überwachung am Handgelenk
Umso wichtiger ist die Früherkennung von Vorhofflimmern. Denn erst dann kann die zwingende Therapie mit Blutverdünnern wie Marcumar oder den neuen direkten Antikoagulanzien rasch eingeleitet werden. Dass Smartwatches hier ein Potenzial bieten, geht aus einer Studie des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) hervor. Danach können kommerziell erhältliche elektronische Armbanduhren das Vorhofflimmern korrekt erkennen. „Wir konnten zeigen, dass Smartwatches eine Möglichkeit bieten, den Herzrhythmus bequem und vergleichsweise günstig zu überwachen“, betont Studienarzt und DZHK-Forscher Professor Marcus Dörr von der Universitätsmedizin Greifswald.
So treffsicher wie ein EKG
In der prospektiven kontrollierten Studie wurde an 508 Personen mit und ohne Vorhofflimmern untersucht, ob eine Smartwatch mit einer App zur Aufzeichnung des Herzrhythmus Vorhofflimmern akkurat detektieren kann. Hierfür wurden die Aufzeichnungen der Smartwatches durch einen automatischen Algorithmus hinsichtlich des Vorliegens von Vorhofflimmern analysiert. Die Ergebnisse wurden mit einem mobilen Elektrokardiogramm (EKG)-Gerät verglichen, bei dem für die Messung je zwei Finger der rechten und linken Hand auf eine Elektrode gelegt werden. Diese EKGs wurden anschließend von Ärzten ausgewertet, denen keine weiteren Informationen über die Teilnehmer vorlagen. Dabei zeigte sich, dass die Smartwatch mindestens genauso gut und akkurat wie das mobile EKG Vorhofflimmern detektieren kann. „Besonders wichtig war, dass durch die App nicht zu viele falsch-positive Befunde erhoben wurden. Also Vorhofflimmern angezeigt wurde, wenn tatsächlich keines vorlag“, sagt Dörr. Denn dies würde unnötige Untersuchungen und Kosten nach sich ziehen.
Signalstörung bei Bewegung
Doch einsatzreif für größere Screenings ist das Ganze noch nicht. Dafür braucht es größere Studien und ein paar Nachbesserungen an den elektronischen Armbanduhren. Denn die vorliegende Studie, die an der Uni Greifswald und der Uni Basel durchgeführt wurde, zeigte ein paar Schwachstellen auf: 20 Prozent aller Daten konnten nicht ausgewertet werden, da es Probleme mit der Qualität des Signals gab. Diese Störungen traten meist dann auf, wenn sich die Studienteilnehmer bewegten. Dann konnte die Smartwatch den Herzrhythmus nicht immer korrekt erfassen. „Eine mögliche Lösung könnte sein, neben der Verbesserung des Algorithmus, den Herzrhythmus nachts mehrfach automatisiert aufzuzeichnen, wenn man sich weniger bewegt“, so DZHK-Wissenschaftler Dörr. Die Studie zeigte außerdem, dass eine wiederholte einminütige Aufzeichnung ausreicht, um Herzrhythmusstörungen zuverlässig zu entdecken.
Wie wird Vorhofflimmern zurzeit diagnostiziert?
Erste Anhaltspunkte liefern eine regelmäßige Pulskontrolle und ein EKG. Die Betonung liegt auf regelmäßig, denn Vorhofflimmern tritt zunächst anfallsartig auf. So kann es sein, dass die Herzrhythmusstörung bei einer Kontrolle unentdeckt bleibt.
Besteht der Verdacht auf Vorhofflimmern oder besteht generell ein hohes Risiko bekommen Patienten ein Langzeit-EKG, das den Herzrhythmus für bis zu 72 Stunden aufzeichnet. Wird in dieser Zeitspanne nichts entdeckt, kann man nach den Leitlinien theoretisch damit aufhören, den Herzrhythmus zu überwachen. Ist das Risiko sehr hoch, können in ausgewählten Fällen kleine implantierbare Ereignisrekorder hinter das Brustbein operativ eingesetzt werden. Eine teure und invasive Methode. Auch andere, externe Geräte zur Rhythmusüberwachung sind kostspielig und werden von den Krankenkassen nicht bezahlt. „Eine Smartwatch ist hier vergleichsweise günstig und kann theoretisch von jedermann erworben werden“, sagt Herzspeziallist Dörr. „Sie könnte daher zukünftig die Lücke zwischen dem Langzeit-EKG und einem implantierten Gerät schließen.“
Foto: Quelle: PREVENTICUS GmbH, Jena