Psychische Erkrankungen haben gemeinsame genetische Basis

Psychische Erkrankungen wie Schizophrenie oder schwere Depressionen weisen molekulare Gemeinsamkeiten auf – Foto: ©missty - stock.adobe.com
Schon länger gibt es Hinweise auf genetische Verbindungen zwischen den verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen. Ein internationales Forscherteam hat nun die genetischen Zusammenhänge zwischen diesen Störungen und anderen Erkrankungen des Gehirns gründlich analysiert. Mehr als 500 Wissenschaftler weltweit arbeiteten an der groß angelegten Studie mit, darunter sieben Mitarbeiter des Bonner Instituts für Humangenetik. Die Autoren der Studie, die in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht wurde, stellten fest, dass psychiatrische Störungen zahlreiche genetische Faktoren teilen, während neurologische Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer im Hinblick auf ihre genetischen Grundlagen deutlicher voneinander abgegrenzt erscheinen.
Genetische Überschneidungen zwischen psychischen Erkrankungen
Für die Studie haben verschiedene internationale Konsortien ihre Daten zusammengeführt, um die genetischen Muster von 25 psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen zu untersuchen. Da jede einzelne genetische Variante nur einen kleinen Beitrag zur Krankheitsentstehung leistet, erforderten die Analysen große Stichproben. Mit Hilfe von genomweiten Assoziationsstudien an insgesamt 265.218 Patienten und 784.643 Kontrollen ermittelten die Forscher das Ausmaß der genetischen Überlappungen zwischen den einzelnen Erkrankungen.
Die Ergebnisse zeigten weitreichende genetische Überschneidungen bei verschiedenen psychischen Erkrankungen, insbesondere zwischen der Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), der bipolaren Störung, der schweren Depression und der Schizophrenie. Darüber hinaus weisen die Daten eine starke Überlappung zwischen Magersucht (Anorexia nervosa) und der Zwangsstörung (OCD) sowie zwischen OCD und dem Tourette-Syndrom auf. Im Gegensatz dazu waren neurologische Störungen wie Parkinson und Multiple Sklerose deutlicher voneinander und von den psychiatrischen Störungen zu unterscheiden - mit Ausnahme der Migräne, die genetisch mit ADHS, der schweren depressiven Störung und dem Tourette-Syndrom in Zusammenhang steht.
Möglicherweise neue Systematik notwendig
Nach Ansicht der Wissenschaftler deutet die ausgeprägte genetische Überlappung zwischen den psychiatrischen Störungen darauf hin, dass die aktuellen klinischen Diagnosekriterien die zugrunde liegende Biologie nicht genau widerspiegeln. „Die Ergebnisse der Studie könnten daher dazu führen, dass die diagnostischen Kategorien von psychischen Erkrankungen in der Zukunft neu strukturiert werden müssen“, sagt Dr. Franziska Degenhardt, Leiterin der Arbeitsgruppe „Genetik schizophrener Störungen“ am Institut für Humangenetik des Uniklinikums Bonn.
So könnte beispielsweise ein einziger Mechanismus, der die Menge eines Proteins im Gehirn reguliert, sowohl das unaufmerksame Verhalten bei ADHS als auch die gestörte Funktion bei schizophrenen Störungen beeinflussen. Langfristig könnte die Erforschung der genetischen Zusammenhänge dazu beitragen, die Diagnose der neuropsychiatrischen Erkrankungen zu verbessern, erklärt Dr. Andreas Forstner, der gemeinsam mit Professor Nöthen die an der Studie beteiligte Bonner Arbeitsgruppe zu affektiven Störungen leitet. Das könnte auch der Therapie der Patienten zugute kommen.
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