Plasmatherapie gegen COVID-19: Noch keine Evidenz zur Wirksamkeit

Cochrane Review stuft Evidenz zur Plasmatherapie gegen COVID-19 als "sehr gering" ein
Das Prinzip der Plasmatherapie wurde bereits Ende des 19. Jahrhundert von Emil von Behring entdeckt und seither erfolgreich gegen eine Reihe von Infektionskrankheiten eingesetzt. Der Trick: Menschen, die sich von einer Infektionskrankheit erholt haben, besitzen in ihrem Blutplasma Antikörper gegen das Virus oder Bakterium. Werden diese Antikörper nun nach einer speziellen Aufbereitung Erkrankten gespritzt, können diese schnell eine Immunität gegen die Krankheit aufbauen. Dafür nutzt man entweder direkt das zellfreie Blutplasma („Rekonvaleszenten-Plasma“) oder stellt aus solchen Plasmaspenden ein sogenanntes Hyperimmunserum mit einer besonders hohen Konzentration von Antikörpern her.
Auch COVID-19-Patienten werden bereits im Rahmen von klinischen Studien mit Rekonvaleszenten-Plasma oder Hyperimmunseren behandelt. Die Hoffnung ist groß, dass mit dieser passiven Immunisierung schwere Krankheitsverläufe gestoppt oder verhindert werden können. Bislang ist die Evidenzlage jedoch noch sehr dünn. Ein gerade erschienener Cochrane Review bestätigt einen Mangel an vertrauenswürdiger Evidenz.
Daten von gerade mal 32 Patienten
Bei ihrer Recherche fanden die Studienautoren lediglich acht abgeschlossene Studien (allesamt sogenannte Fallserien) mit insgesamt 32 Teilnehmern. Alle 32 Studienteilnehmer überlebten die Behandlung und 15 konnten in der kurzen Nachbeobachtungszeit sogar die Klinik verlassen. Dieses auf den ersten Blick positive Ergebnis lässt sich nach Ansicht der Autoren jedoch ebenso gut mit dem natürlichen Verlauf der Krankheit oder anderen Behandlungen erklären.
Ein Beweis für die Sicherheit und Wirksamkeit der Plasmatherapie ist das also noch nicht, zumal die Aussagekraft der Studien allein wegen der geringen Teilnehmerzahl stark eingeschränkt ist und es keine kontrollierten, randomisierten Studien mit Vergleichsgruppen waren, sondern Fallserien mit verschiedenen Endpunkten. Außerdem erhielten die Teilnehmer neben der Plasmatherapie unterschiedliche weitere Behandlungen, was den Vergleich der Studienergebnisse zusätzlich erschwere, betont das Cochrane-Team. Darum stufte es die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz nach als „sehr gering“ ein.
Noch ist unklar, ob die Plasmatherapie gegen COVID-19 hilft
„Zusammenfassend bedeuten die Informationen aus den zum Stand Ende April 2020 verfügbaren Studien, dass wir immer noch sehr unsicher sind, ob die Verwendung von Rekonvaleszenten-Plasma Patienten mit COVID-19 hilft und wie sicher diese Therapie ist“, erklärt “, erklärt Koautorin Nicole Skoetz, die an der Uniklinik Köln das für den Review zuständige Cochrane-Netzwerk „Cochrane Cancer“ leitet.
Das bedeute allerdings nicht, dass die Wirksamkeit einer Plasmatherapie gegen COVID-19 damit widerlegt wäre, fügt die Wissenschaftlerin hinzu. Bloß gebe es augenblicklich noch keine gesicherte Evidenz.
50 weitere Studien mit Blutplasma in der Pipeline
Das könnte sich bald ändern, denn die Cochrane-Forscher haben 50 laufende Studien zu Plasmatherapie bei COVID-19 identifiziert, von denen 22 randomisierte Studien mit hoher Aussagekraft sind. 16 dieser Studien sollen noch im Laufe dieses Jahres abgeschlossen sein. Deshalb werden die Forscher ihre Übersichtsarbeit als sogenannten ‚Living Systematic Review‘ fortan monatlich aktualisieren, damit sie stets die aktuellste verfügbare Evidenz widerspiegelt.
„Die Forschung auf diesem Gebiet läuft auf Hochtouren“, sagt Dr. Skoetz, „und wir sind zuversichtlich, dass sich die große Wissenslücke bald schließen könnte.“ #Cochrane Deutschland gehört übrigens zu den Unterzeichnern eines offenen Briefes an die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA), der die Offenlegung von Studienergebnissen aus klinischen Studien zu Arzneimitteln und Impfstoffen gegen COVID-19 fordert.
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