Hamburg startet passive Immunisierung von COVID-19-Patienten

Mit Plasma das Leben von schwer kranken COVID-19-Patienten retten: Hamburg startet großes Projekt zur passiven Immunisierung
Es ist ein uraltes Prinzip, das schon zur Bekämpfung der Diphterie und der Spanischen Grippe eingesetzt wurde: Die passive Immunisierung mit Antikörperseren von genesenen Patienten. Auch bei COVID-19 gilt die Antikörpertherapie als Hoffnungsträger. Hamburg ruft darum jetzt gesundete Corona-Patienten auf, Plasma zu spenden. Das Plasma soll dann in einem Speziallabor aufbereitet werden, damit es anschließend akut Erkrankten als Hyperimmunserum verabreicht werden kann. „Wir erwarten uns von dem neuen Therapieansatz günstige Auswirkungen auf die Krankheitsverläufe von COVID-19-Patienten mit sehr schwerem Krankheitsverlauf“, sagt Prof. Dr. Dirk Arnold, Onkologe und Hämatologe am Asklepios-Klinikum.
Passive Immunisierung soll Coronavirus sofort neutralisieren
Die Gabe des Rekonvaleszenten-Plasmas soll eine passive Immunisierung bewirken, wodurch das neue, gefährliche Coronavirus im Idealfall neutralisiert wird. Dadurch werde den schwer erkrankten Patienten wertvolle Zeit geschenkt, um eine eigene Virusabwehr aufzubauen. „Das ist unsere Hoffnung“, so Prof. Arnold.
Das neue Arzneimittel mit den Sars-CoV 2-Antikörpern wird aus dem Blutplasma von Patienten gewonnen, die positiv auf das neue Coronavirus (Sars-CoV 2) getestet worden waren und bei denen der Beginn der Krankheitssymptome mindestens vier Wochen zurückliegt.
Damit das Plasma zu einem Arzneimittel weiterverarbeitet werden kann, müssen zwei Dinge sichergestellt sein: Es müssen genügend Antikörper gegen Sars-CoV 2 sogenannte IgG vorhanden sein und es dürfen keine Infektionen mit anderen Erregern wie HIV oder Hepatitis vorliegen. Beides wird durch Laboruntersuchungen sichergestellt.
Wie läuft die Plasmaspende ab?
Potenzielle Spender können sich beim Blutspendedienst Hamburg unter der Hotline (040) 20 00 22 00 melden. Die Plasmaspenden erfolgen am Standort im Einkaufszentrum Quarree (Hamburg-Wandsbek). Dort wird den Spendern zunächst Blut abgenommen, um sicherzustellen, dass die nötige Zahl Antikörper im Blut vorhanden ist. Wenige Tage später erfolgt die Plasmaentnahme. Dabei wird das Plasma während der Blutspende aus dem Blut entnommen, während dem Patienten die festen Bestandteile des Blutes (vorwiegend die roten Blutkörperchen) wieder in die Vene zurückgegeben werden. Insgesamt werden pro Plasmaspende innerhalb von 45 Minuten drei Beutel Plasma à 220 ml entnommen.
Keine normale Blutspende
„Plasmaspenden kann im Grunde jeder, der auch für eine normale Vollblutspende in Betracht kommt – nur, dass es hier auf genesene COVID-19-Patienten ankommt“, betont Dr. Melanie Braun, Ärztliche Leiterin des Zentralinstituts für Transfusionsmedizin der Asklepios Kliniken, zu der auch der Blutspendedienst Hamburg gehört. Die Einrichtung zählt zu den wenigen in Deutschland, die in der Lage sind, entsprechendes Plasma mithilfe der Plasmapherese herzustellen. „Unser Körper kann das Plasma übrigens schon in wenigen Tagen neu bilden. Damit ist das Plasmaspenden sogar noch weniger belastend als eine Vollblutspende“, so Dr. Braun.
Aktuell gibt es noch keinen wirklich überzeugenden Therapieansatz, um schwere COVID-19 Verläufe zu beherrschen. Die Antikörpertherapie ist zumindest eine von mehreren Chancen.
Nebenwirkungen möglich
Anders als bei der aktiven Immunisierung – der klassischen Impfung - , bei der der Körper langsam Antikörper gegen einen bestimmten Erreger aufbaut, zielt die passive Immunisierung auf einen sofortigen Schutz. Wie bei jedem Arzneimittel sind auch Nebenwirkungen möglich. Bei COVID-19 besteht unter anderem die Gefahr, dass es zu einer Antikörper-vermittelten Reaktion kommt, die fremden Antikörper also andere Entzündungsprozesse anstoßen, die dann nicht mehr beherrschbar sind. Darum wurde die Therapie von den Hamburger Gesundheitsbehörden ausschließlich für Patienten mit geringen Überlebenschancen genehmigt.
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