Peptide: Mit körpereigenen Wirkstoffen gegen Infektionskrankheiten und Krebs

Im Fadenkreuz der Immunabwehr: Krankheiten wie Covid-19, Aids, Alzheimer, Leukämie und Asthma. Künftig könnten sie mithilfe von Therapeutika bekämpft werden, die aus körpereigenen Peptiden hergestellt wurden. – Foto: AdobeStock/peterschreiber.media
Sie sind keine chemisch-synthetischen Arzneimittel der Pharma-Industrie; sie sind keine pflanzlichen Heilsubstanzen aus der Welt der Naturheilkunde. Trotzdem wirken sie im Körper arzneiartig – entzündungshemmend, antibiotisch, antiviral: Peptide. Ihre Moleküle setzen sich aus Aminosäuren zusammen und damit aus denselben Bausteinen wie Eiweiße, allerdings nur in kurzen Ketten. Von „Proteinen“ im eigentlichen Sinn spricht die Wissenschaft erst, wenn sich mehr als 100 Aminosäuren in einer Kette aufreihen. Peptide lassen sich damit als eine Art „kleine Eiweiße“ beschreiben – mit großer Bedeutung für den Organismus allerdings.
Ohne Peptide und Proteine läuft im Körper nichts
„Diese besonderen Eiweißverbindungen sind nicht nur an allen lebenswichtigen physiologischen Prozessen beteiligt, sondern spielen auch bei der Bekämpfung von Infektionen und anderer Erkrankungen eine wichtige Rolle“, heißt es in einer Mitteilung von Universität und Uniklinikum Ulm. Wie körpereigene Peptide und Proteine dem menschlichen Körper dabei helfen, Bakterien und Viren abzuwehren oder Krebs zu bekämpfen – das untersuchen Ulmer Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen seit vier Jahren in einem großangelegten Forschungsprojekt. Die jetzt beschlossene Verlängerung um weitere vier Jahre nutzten sie, um der Öffentlichkeit Details ihrer bisherigen Arbeit vorzustellen.
Systematische Suche nach arzneimittelartigen Peptiden
„Die Gesamtheit aller Proteine und Peptidverbindungen des menschlichen Körpers bezeichnen wir als Peptidom. Dabei gibt es Millionen unterschiedliche Verbindungen, deren biologische Funktionen noch unbekannt sind“, erklärt Frank Kirchhoff, Leiter des Instituts für Molekulare Virologie am Ulmer Universitätsklinikum. Die Mission dieses Ulmer Sonderforschungsbereichs besteht darin, systematisch nach Peptiden und Peptidverbindungen zu suchen, die als antimikrobielle und als Anti-Krebs-Therapeutika infrage kommen.
Suche in Blutplasma, Muttermilch, Speichel und Sperma
Im Zuge der ersten Förderphase (2017 bis 2021) ist es den Forschenden demnach gelungen, eine Reihe von Peptidverbindungen zu identifizieren, die den Körper im Kampf gegen Bakterien, Viren und Krebs unterstützen. Auf der Suche nach nützlichen Peptiden haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler alle möglichen Körperflüssigkeiten untersucht: darunter Blutplasma, Muttermilch und die Flüssigkeit aus Lungenspülungen sowie Speichel und Sperma. Aber auch in Peptid-Extrakten aus Geweben, wie der Plazenta, wurden die Forschenden fündig.
Körper-Wirkstoffe gegen Aids, Covid-19, Alzheimer, Leukämie
In dem Projekt haben die beteiligten Wissenschaftler:innen mögliche Wirkstoff-Kandidaten analysiert, charakterisiert und gegebenenfalls optimiert, um diese für therapeutische Anwendungen weiterzuentwickeln. Im Mittelpunkt des Interesses stehen Infektionskrankheiten, Entzündungen und Tumorerkrankungen – von AIDS, COVID-19, Alzheimer und Asthma über Leukämie und Lymphome bis hin zu Keuchhusten und Diphterie.
Projektziel: Aufbau von Peptid-„Bibliotheken“
Das Gesamtprojekt besteht aus 20 Teilprojekten, an der sich eine Vielzahl von WissenschaftlerInnen aus der Medizin und den Naturwissenschaften beteiligen: aus Virologie, Krebsforschung, Mikrobiologie, Biochemie, Physik, Pharmakologie und Hochleistungsbildgebung. Der Ansatz, den der Ulmer Peptidom-Sonderforschungsbereich verfolgt, ist dabei umfassend. Er reicht von der Entdeckung und Aufreinigung möglicher „Kandidaten“-Moleküle über deren biochemische Charakterisierung und pharmakologische Optimierung bis zur Entwicklung von Therapien. Einen hohen Stellenwert hat dabei der Aufbau von Peptid-„Bibliotheken“. Außerdem: die Vorbereitung von klinischen Studien samt Entwicklung geeigneter Tiermodelle und entsprechender in-vivo-Bildgebungsverfahren.
Uni Tübingen entwickelt Peptid-Impfstoff gegen Covid-19
Erst im Januar hatte die Universität Tübingen bekanntgegeben, dass sie einen Peptid-Impfstoff gegen Covid-19 entwickelt.Er soll die menschliche Immunabwehr aktivieren – das hat er mit den derzeit im Mittelpunkt stehenden Impfstoffen gemeinsam. Aber nicht auf der Antikörper-Schiene. Laut Paul-Ehrlich-Institut stimuliert der Impfstoff hochspezifisch die T-Zell-Antwort. Diese Zellen des Immunsystems erkennen und zerstören SARS-CoV-2-infizierte Zellen. Der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, wertet diesen Mechanismus als „ein wichtiges Komplementärsystem zur humoralen Immunantwort durch neutralisierende Antikörper“ bei den anderen aktuellen Impfstoffen. Der Peptid-Impfstoff ergänze das Portfolio der COVID-19-Impfstoffplattformen um einen weiteren vielversprechenden Ansatz.