MR1-T-Zellen: Bald „das eine“ Mittel gegen Krebs?

T-Zellen des Immunsystems attackieren eine Krebszelle. – Foto: ©Spectral-Design - stock.adobe.com
„MR1“ ist ein Eiweiß, das von Natur aus in allen Körperzellen vorkommt und bei allen Menschen identisch ist. Auf der Oberfläche gesunder Zellen findet es sich in kleinen Spuren. Die Oberflächen von Tumorzellen dagegen sind voll davon – egal um welchen Typ Krebs es sich handelt. Eher zufällig haben Forscher der Universität Basel menschliche Abwehrzellen entdeckt („T-Zellen“), die das Eiweißmolekül MR1 erkennen und damit in der Lage sind, MR1-tragende (Krebs-)Zellen gezielt zu bekämpfen. Mithilfe eines eigenen Start-up-Unternehmens sollen die Ergebnisse der Krebsforschung jetzt möglichst zügig in Medikamente für den Einsatz am Patienten umgemünzt werden. Laut Universität Basel würde dieses Verfahren eine Immuntherapie deutlich beschleunigen. Immuntherapeutika müssten nicht mehr – wie bisher – nach der Diagnose erst für jeden Patienten individuell angefertigt werden. Sie ließen sich im Labor für einzelne Krebsarten maßgeschneidert herstellen und stünden im Fall einer Krebsdiagnose wie fertige Medikamente sofort zur Verfügung.
Immuntherapie: Herstellung von Wirkstoffen bisher sehr zeitraubend
Die personalisierte Immuntherapie gilt unbestritten als einer der größten Fortschritte der Krebsmedizin in jüngster Zeit. Allerdings gilt der Prozess bis zur Anwendung als aufwändig und zeitintensiv: Es beginnt mit dem Abnehmen von Blut; dann müssen die darin enthaltenen Immunzellen isoliert werden. Man muss sie spezifisch gegen die vorliegende Krebsart scharf machen, vermehren und aufbereiten – ehe sie dem Patienten am Ende wieder verabreicht werden.
Bei Krebsdiagnose „einfach in den Gefrierschrank greifen“
„Wäre es nicht fantastisch, nach der Krebsdiagnose in den Gefrierschrank greifen zu können und eine vorgefertigte Packung Immunzellen gegen den Krebs einsatzbereit zu haben? Egal welchen Typ Krebs?“, fragt Lucia Mori vom Departement Biomedizin vom Universitätsspital Basel. Dieser Vision ist ein Forscherteam um Prof. Dr. Gennaro De Libero, zu dem auch Mori gehört, jetzt nach eigenen Angaben einen entscheidenden Schritt nähergekommen.
Entdeckung des Anti-Krebs-Effekts eher zufällig
Dass sich mithilfe von MR1-T-Zellen auch Krebs bekämpfen lässt, entdeckten die Wissenschaftler eher zufällig. Ziel eines vor fünf Jahren gestarteten Projekts war es, Immunzellen zu erforschen, die bakteriell infizierte Zellen eliminieren. Zu ihrer großen Überraschung stellten die Forscher aber im Laufe ihrer Arbeit fest, dass einige dieser Immunzellen auch Tumore erkennen konnten. „Wir dachten zuerst, das könne nicht stimmen“, erinnert sich Mori, „aber wir haben die Experimente mehrfach wiederholt und kontrolliert. Die Beobachtung bestätigte sich immer wieder.“
Die Forschenden gaben den krebsbekämpfenden Immunzellen die Bezeichnung „MR1-T-Zellen“. Hierbei handelt es sich um eine bestimmte Gruppe von T-Zellen mit einem spezifischen Fühler (Rezeptor), der das Molekül MR1 erkennt und die MR1-tragende Zelle angreift. T-Zellen im Allgemeinen sind eine Form von weißen Blutkörperchen, die an ganz unterschiedlichen Körpersubstanzen – seien es Eiweiße, Lipide oder Stoffwechselprodukte – Anzeichen für Erkrankungen erkennen können. Als Teil des menschlichen Immunsystems dienen sie damit der Abwehr von Krankheiten.
Spenderzellen werden auf bestimmte Krebstypen „abgerichtet“
„MR1 ist damit ein universeller Angriffspunkt, den praktisch alle Krebszellen tragen“, heißt es in einer Mitteilung der Universität Basel. MR1-T-Zellen von gesunden Spendern könnten im Labor in einer Weise bearbeitet werden, dass sie gegen verschiedene Krebstypen wie maßgeschneidert seien. Diese MR1-T-Zellen ließen sich dann in Flüssigstickstoff über längere Zeit lagern bis zu ihrem Einsatz. Da manche Krebstypen Charakteristika teilten, könnte diese vorgefertigte Immuntherapie dann entsprechend auch bei unterschiedlichen Krebsarten wie beispielsweise Brust-, Darm- und Lungenkrebs eingesetzt werden.
„Matterhorn Biosciences“: Eigenes Start-up zur schnelleren Realisierung
Normalerweise nimmt es geraume Zeit in Anspruch von Entdeckungen in der Forschung bis zur Anwendung am Krankenbett. Um diesen Prozess im vorliegenden Fall zu beschleunigen, haben die Baseler Wissenschaftler jetzt ein eigenes Unternehmen gegründet. Das Start-up „Matterhorn Biosciences“ hat für die Produktion dieser universellen, gebrauchsfertigen T-Zelltherapien gegen Krebs von einer Investmentfirma 30 Millionen Dollar als Anschubfinanzierung erhalten.
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