Neurorehabilitation nützt auch älteren Schlaganfall-Patienten
Ein typischer Fall von Schlaganfall: Zuerst in die Stroke Unit. Dann auf die Neurologische Station. Dann geriatrische Reha. Die auch nur deshalb, weil die Patientin alleine lebt und mit weiter bestehenden Funktionseinschränkungen nicht aus der Klinik entlassen werden kann. Nach drei Wochen Mobilisierung in der Geriatrie schließlich in deutlich besserem Zustand nachhause entlassen. Kognitive Defizite bleiben aber, verschlimmern sich mit der Zeit. Die Patientin ist 83 Jahre alt. Ein Fall, wie er sich täglich in Deutschland ein dutzend Mal ereignet.
Geriatrische Reha lässt Potenziale ungenutzt
Aber wäre noch mehr gegangen in einem der leistungsfähigsten Gesundheitssysteme der Welt? Neurologen sind sich die ziemlich sicher: Mit einer intensiven Neurorehabilitation lassen sich die Genesungschancen erhöhen, auch und gerade bei ältere Menschen. „Ältere Schlaganfallpatienten profitieren nicht nur von der Neurorehabilitation, sie können sogar bis ins hohe Alter bemerkenswerte individuelle Fortschritte machen“, sagte Professor Gereon R. Fink auf dem DGN-Kongress in Leipzig. Der Neurologe kennt Fälle wie den geschilderten zu genüge. „Ältere Menschen erhalten nach einem Schlaganfall in der Praxis oft nur eine beschränkte geriatrische Rehabilitation, während jüngere meist eine intensivere Neurorehabilitation bekommen“, kritisierte der Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Köln. Dahinter stecke die Vorstellung, der ältere Mensch würde von einer intensiven Behandlung wenig profitieren oder wäre sogar überfordert. „Diese altersdiskriminierende These ist längst widerlegt“, sagte Fink.
Plastizität des Gehirns besser ausschöpfen
Bei der Neurorehabilitation handelt es sich um spezielle Verfahren, die das Potenzial der Plastizität des Gehirns unterstützen, also jene Eigenschaft einzelner Synapsen, und Nervenzellen sich in Abhängigkeit ihrer Nutzung zu verändern. Dazu gehören etwa die transkranielle Magnetstimulation (TMS) oder die transkranielle Gleichstromstimulation (TDCS).
Die Arbeitsgruppe von Prof. Agnes Flöel an der Berliner Charité konnte zeigen, dass Patienten mit chronischer Sprachstörung (Aphasie) von einer Behandlung mit tDCS im Vergleich zu einer Schein-Stimulation auch noch nach sechs Monaten alltagsrelevant profitieren. Ähnliche Effekte konnte die Arbeitsgruppe Gereon Fink bei Patienten mit Halbseitenlähmung in der Frühphase der Rehabilitation mittels TMS erzielen: Im Vergleich zur Scheinstimulation verbesserte sich die Handfunktion der TMS-stimulierten Patienten, wobei die Effekte auch noch drei Monate nach der Rehabilitation nachzuweisen waren. „Diese ermutigenden Studienergebnisse belegen eindrucksvoll das Potenzial neurowissenschaftlich basierter Forschungsansätze zu innovativen Therapieansätzen in der Neurorehabilitation“, betonte Fink. Es sei darum wichtig, die Forschung zu innovativen Therapieansätzen in der Neurorehabilitation zu verstärken.
Aufgrund der älter werdenden Bevölkerung nimmt die Häufigkeit von Schlaganfällen zu. Da sich die Akutbehandlung nicht zuletzt durch die Stroke Units verbessert hat, überleben immer mehr Menschen ihren Schlaganfall. Das bedeutet aber zugleich einen höheren Rehabilitationsbedarf.
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