Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt
Logo Gesundheitsstadt Berlin
Das Gesundheitsportal aus der Hauptstadt

Krank durch Stress: Wenn sich Zellen nicht mehr schützen können

Sonntag, 27. Mai 2018 – Autor:
Stress hinterlässt sichtbare Spuren im Körper. Auf Zellebene entstehen so genannte Stressgranula, die normalerweise wieder abgebaut werden. Was passiert, wenn dieser Abbauprozess nicht nach Plan funktioniert, haben nun Forscher untersucht – und einen schlimmen Verdacht.
Stressgranula

Farbige Mikroskopie-Aufnahmen, die Zellen mit normalen (grüne Punkte) und abnormalen (gelbe Punkte) Stressgranula zeigen.

Stress ist allgegenwärtig und auf Dauer nicht gesund. Auch Zellen reagieren auf Stress – sei es aufgrund einer Unterversorgung mit Nährstoffen, einer Virus-Infektion, Hitze oder einem anderen Auslöser. Jedoch besitzt der Körper natürliche Abwehrmechanismen: Zellen starten ein Programm, mit dem sie sich vor stressbedingten Schäden zu schützen versuchen. In der Regel versuchen sie Ressourcen einzusparen, indem sie die Neubildung zelleigener Proteine drosseln. Diese Reserven brauchen sie, um unter den Stressbedingungen eine Zeit überleben zu können oder Zellschäden zu reparieren. 

Sichtbare Zeichen einer solchen Stressreaktion sind sogenannte Stressgranula: Diese kleinen, aus zahlreichen Proteinen und Boten-RNAs bestehenden Körnchen bilden sich im Zellinnern, wenn die Proteinproduktion gestoppt wird. Ist der Stress  vorbei, und die Zelle nimmt ihre reguläre Arbeit wieder auf, baut die Zelle diese Stressgranula wieder ab – normalerweise. Funktioniert dieser Abbauprozess allerdings nicht nach Plan, kann dies fatale Folgen haben: Stressgranula stehen unter Verdacht Mitverursacher der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS) und der der Frontotemporalen Demenz (FTD) zu sein, wie aktuelle Studien nahelegen. Beides sind unheilbare neurodegenerative Erkrankungen.

Anhäufung von Stressgranula mit Folgen fürs Gehirn

Wissenschaftler der Julius-Maximilians-Universität Würzburg haben darum die Auflösung von Stressgranula genauer untersucht und dabei eine interessante Entdeckung gemacht: Demnach ist das Protein ZFAND1 notwendig für die normale Auflösung der Stressgranula. Fehlt dieses Protein jedoch, können einige Granula nicht mehr aufgelöst werden und verändern stattdessen ihre Struktur.

„Diese abnormen Stressgranula müssen dann aufwändig durch die zelluläre Müllabfuhr, die Autophagie, entsorgt werden“, erläutert Alexander Buchberger das zentrale Ergebnis der neuen Studie zusammen. ZFAND1 wirkt dem Forscher zufolge allerdings nicht direkt auf den Abbauprozess ein. Stattdessen rekrutiert es einen speziellen Enzymkomplex, der für den Abbau fehlerhafter Proteine benötigt wird, das sogenannte Proteasom, und bringt ihn mit den Stressgranula in Kontakt.

Dass das Proteasom eine unverzichtbare Rolle bei der Auflösung der Stressgranula spielt, war so nicht erwartet worden, erklärt Buchberger. Bisher sei die Wissenschaft davon ausgegangen, dass fehlerhafte Proteine an Stressgranula zusammen mit diesen im Rahmen der Autophagie entsorgt würden. Diese Annahme konnten die Biochemiker mit ihrer Studie jetzt korrigieren.

Neurodegenerative Erkrankungen im Fokus

„Die Anhäufung abnormer Stressgranula wird als eine mögliche Entstehungsursache für neurodegenerative Erkrankungen angesehen“, erklärt Buchberger. Dementsprechend sei die Aufklärung der Wirkmechanismen bei der Bildung und Auflösung von Stressgranula wichtig, um die Grundlagen dieser Krankheiten besser zu verstehen und mögliche Angriffspunkte für eine Therapie zu finden.

In einem nächsten Schritt wollen Buchberger und sein Team deshalb die Zusammensetzung von Stressgranula genauer analysieren und die schadhaften Proteine identifizieren, die durch das Proteasom entfernt werden müssen. Ihr übergeordnetes Ziel ist es, die Regulationsprozesse rund um die Bildung und Auflösung von Stressgranula detaillierter aufzuklären.

Die Arbeit “ZFAND1 Recruits p97 and the 26S Proteasome to Promote the Clearance of Arsenite-Induced Stress Granules" ist soeben in  Molecular Cell erschienen

Foto: AG Buchberger Quelle: Universität Würzburg - idw-online

Hauptkategorie: Medizin
Lesen Sie weitere Nachrichten zu diesen Themen: Stress , Demenz

Weitere Nachrichten zum Thema Stress

Aktuelle Nachrichten

Weitere Nachrichten
Die Langzeitfolgen der Corona-Pandemie machen Beschäftigten in Gesundheitsberufen besonders zu schaffen. Das zeigt eine Analyse der AOK-Nordost für Berlin. Eine Berufsgruppe ist sogar doppelt so oft betroffen wie der Durchschnitt der Versicherten.

Die Charité hat am Montag eine stadtweite Kampagne gestartet, um neue Mitarbeitende zu gewinnen. Besonders Pflegekräfte werden umworben, aber auch in Forschung, Lehre und Verwaltung sucht die Universitätsmedizin Verstärkung.

Trotz internationaler Transparenzregeln werden viele klinische Studien nicht veröffentlicht. Wichtige Ergebnisse bleiben somit verborgen. Dem setzt das Berlin Institute of Health (BIH) der Charité nun mit einem öffentlich einsehbaren Dashboard etwas entgegen.
Interviews
Einen ambulanten Pflegedienst in Berlin zu finden, ist schwierig geworden. Personalmangel ist das Hauptproblem. Dabei gäbe es relativ einfache Lösungen, sagt Thomas Meißner vom AnbieterVerband qualitätsorientierter Gesundheitspflegeeinrichtungen (AVG). Im Gespräch mit Gesundheitsstadt Berlin verrät der Pflegeexperte und Chef eines häuslichen Krankenpflegedienstes, wie man Menschen in den Pflegeberuf locken könnte und warum seine Branche noch ganz andere Sorgen hat als die Personalfrage.

Affenpocken verlaufen in der Regel harmlos. Doch nicht immer. Dr. Hartmut Stocker, Chefarzt der Klinik für Infektiologie am St. Joseph Krankenhaus in Berlin Tempelhof, über die häufigsten Komplikationen, die Schutzwirkung der Impfung und den Nutzen von Kondomen.

Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten und ein buntes Bild an Beschwerden machen. Bislang ist das wirksamste Gegenmittel eine glutenfreie Ernährung. Gesundheitsstadt Berlin hat mit PD Dr. Michael Schumann über die Auslöser und Folgen der Autoimmunerkrankung gesprochen. Der Gastroenterologe von der Charité hat an der aktuellen S2K-Leitinie „Zöliakie“ mitgewirkt und weiß, wodurch sich die Zöliakie von anderen Glutenunverträglichkeiten unterscheidet.
Logo Gesundheitsstadt Berlin