Krätze in Deutschland auf dem Vormarsch

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Krätze ist hierzulande weiter auf dem Vormarsch. Auch wenn Kontaktbeschränkungen aufgrund der Covid-19-Pandemie die Anzahl an Patienten kurzfristig reduziert zu haben scheinen. Das erklärten Experten der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) auf ihrer Jahrestagung 2021.
Krätze (Skabies) kommt seit Jahrhunderten in Deutschland vor. Sie ist eine hochansteckende Hautkrankheit, die alle Altersgruppen betrifft, wobei bei Kindern die Häufigkeit tendenziell höher ist als bei Jugendlichen und Erwachsenen und sie oft mehr Milben haben.
Krätze-Milbe gräbt Gänge in die Haut
Hervorgerufen wird die Erkrankung durch die Krätze-Milbe, die nur den Menschen befällt, in die oberste Hautschicht tunnelförmige Gänge gräbt und dort dann Eier legt. Die Gänge sind als kleine längliche Knötchen oder Erhabenheiten an den typischen Eindringorten zu erkennen.
Betroffen sind beispielsweise die Bereiche zwischen den Fingern und Zehen, Analfalte, Leiste, Knöchel, Brustwarzenhof oder Penisschaft. Als Ausdruck der Immunantwort entsteht nach circa vier Wochen ein Ekzem oder Ausschlag, der mit starkem, häufig nächtlichem Juckreiz verbunden ist, heißt es weiter in einer Pressemitteilung der DDG.
Krätze ist nicht meldepflichtig
Es gibt keine gesicherten Zahlen darüber, wie häufig Krätzemilben in Deutschland sind, denn die Krätze ist nicht meldepflichtig. Es sei denn, die Milbe verbreitet sich in Gemeinschaftseinrichtungen aus wie beispielsweise in Altersheimen, Kindergärten oder Wohnheimen für Asylsuchende. Dann ist das zuständige Gesundheitsamt zu informieren.
Nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts (RKI) gehört sie jedoch zu den verbreiteteren Infektionskrankheiten. "Es gibt mehrere Indizien, die für eine Zunahme des Skabies in Deutschland sprechen", sagt Prof. Sunderkötter, Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie Halle.
Mehrere Tausend Neuerkrankungen pro Jahr
Dazu zählen Zahlen dokumentierter Behandlungsfälle einzelner Kassenärztlicher Vereinigungen (KV Nordrhein: 200 Prozent zwischen 2014 und 2016) und steigende Zahlen von Patienten, die vollstationär in ein Krankenhaus aufgenommen wurden.
Auch die Zahl der Verordnungen von milbenabtötenden Medikamenten registriert bei Krankenversicherungen (Barmer: 2016 zu 2017 Anstieg um 60 Prozent, mit großen regionalen Unterschieden), die Apotheken-Verkaufszahlen dieser Medikamente (2012 bis 2017 vervierfacht) sowie Zahlen einzelner Hautkliniken zu Skabies im stationären Bereich sind aufschlussreich. Schätzungen gehen von mehreren Tausend Neuerkrankten pro Jahr aus.
Krätze in Deutschland auf dem Vormarsch
Die Krätze ist demnach in Deutschland auf dem Vormarsch. Die Gründe für den Anstieg sind nicht genau bekannt. Nach Meinung von Sunderkötter, der auch Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Dermatologische Infektiologie und Tropendermatologie ist, spielen vermutlich verschiedene Faktoren eine Rolle.
Generell ist zu beobachten, dass sexuell übertragbaren Infektionen, zu denen Skabies gehört, zunehmen. Auch ist es möglich, dass die komplexe Lokalbehandlung und die Hygienemaßnahmen nur unzureichend durchgeführt werden.
Übersehen von Kontaktpersonen
Ferner kann das Übersehen von Kontaktpersonen der Erkrankten mit ein Grund sein, wobei Kinder eine unterschätzte Infektionsquelle darstellen. Sie werden häufiger unzureichend behandelt und sind aufgrund der bei ihnen auftretenden Milbendichte und der höheren Prävalenz eine unterschätzte Infektionsquelle. Zudem haben sie untereinander und zu Bezugspersonen engen Körperkontakt.
Obschon ein zeitlicher Zusammenhang der Inzidenzzunahme von Skabies in Deutschland mit Migrationsbewegungen von Schutzsuchenden aus dem arabischen und afrikanischen Raum existiert, ließ sich ein direkter Zusammenhang epidemiologisch nicht belegen. Möglicherweise komme auch der Arbeitsmigration innerhalb und außerhalb der Europäischen Union eine Bedeutung zu, vermutet Sunderkötter.
Permethrin als Widerholungsbehandlung
Auch wenn der Skabies kein medizinischer Notfall ist, so ist doch ein rasches Handeln wichtig. Gut wäre eine licht- oder auflichtmikroskopisch gesicherte Diagnose. Auch für erfahrene Dermatologen ist die Diagnostik herausfordernd.
Ziel der Therapie ist es, die Milben, ihre Larven und Eier abzutöten. Mittel erster Wahl ist Permethrin, für die Sunderkötter und Kollegen inzwischen - anders als die Leitlinie - eine Wiederholungsbehandlung empfehlen. Die zugelassenen Arzneimittel sind meist äußerlich in Cremeform auf der gesamten Haut anzuwenden.
Bei fehlerhafter Anwendung versagt Therapie
"Es gibt Belege, dass ein ausbleibender Therapieerfolg in Wahrheit Ergebnis einer fehlerhaften Anwendung ist", erklärt der Experte. Dem Erkrankten müssen zu Therapiebeginn die genaue Anwendung der verordneten Creme und mögliche Fehler erklärt werden. So ist die Einwirkzeit manchmal zu kurz, Hautbereiche werden ausgespart oder die Fingernägel werden nicht wie empfohlen gekürzt.
Um eine erneute Infektion des Erkrankten und eine weitere Verbreitung zu vermeiden, müssen alle wichtigen Kontaktpersonen identifiziert und mitbehandelt werden. Da sich die Milben noch bis zu 36 Stunden nach Behandlungsbeginn bewegen können, sollten Körperkontakte für diese Zeitspanne vermieden werden. Bei der Aufklärung können laienverständliche Patienteninformationen helfen, wie sie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) erstellt hat (www.infektionsschutz.de/erregersteckbriefe/kraetze-skabies).