Klimawandel steigert Aggressionsbereitschaft

Studien zeigen, dass der Klimawandel die Psyche unter Stress setzen kann – mit der Folge, dass die Bereitschaft zu verbaler und sogar körperlicher Gewalt steigt. – Foto: AdobeStock/Rainer Fuhrmann
Überschwemmungskatastrophen, seit Jahren zu wenig Regen und schlechtere Ernten, heftige Stürme und dazu heißere Sommer und mildere Winter, die die Zecken- oder Allergiesaison verlängern und die Einschleppung neuer Krankheiten durch tropische Mücken begünstigen: Schon für den Körper stellen extreme Wetterphänomene des Klimawandels ein Risiko dar. Studien zeigen, dass hautnah erlebtes oder in den Medien berichtetes Extremwetter auch für die Psyche des Menschen eine Gefahr darstellen kann.
Wie wirkt sich der Klimawandel auf unsere psychische Gesundheit aus? Und wie können wir mit negativen Gefühlen umgehen? Zu diesen Fragen forscht die promovierte Psychologin Maxie Bunz von der Uniklinik Köln. „Die Bedrohung durch den Klimawandel ist allgegenwärtig, sie hält an und wird in Zukunft noch größer werden", warnt Bunz jetzt im Interview mit dem Gesundheitsmagazin „Apotheken Umschau".
Extreme Hitze: „Wir leben Anspannungen und Konflikte eher aus“
Erst vor wenigen Tagen hat die WHO eine alarmierende gesundheitspolitische Bilanz des diesjährigen Sommers gezogen und festgestellt: Der hinter uns liegende Sommer war in Europa der heißeste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Mindestens 15.000 Tote waren infolge der Hitze in Europa zu beklagen – fast ein Drittel davon in Deutschland. Heiße Sommer schlagen offenbar besonders auf unsere Psyche. „Wenn wir die Hitze unangenehm finden, steigt die Aggression - wir leben Anspannungen und Konflikte eher aus", erklärt Psychologin Bunz. Viele Studien hätten gezeigt, dass tätliche Angriffe, sexuelle Übergriffe und körperliche oder verbale Gewalt bei Hitze zunehmen. „Wenn die Anzahl der Hitzewellen in Zukunft steigt, wird es tendenziell mehr aggressives Verhalten geben.“
Wie kann man selbstfürsorglich mit Aggressionsgefühlen umgehen?
Wenn Wetter und Klima aber zu Ängsten, Unwohlsein oder einem Gefühl von Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein führen, die sich am Ende in gesteigerten Aggressionen entladen können, stellt sich die Frage: Wie kann ich mit diesen legitimen Gefühlen souverän und achtsam umgehen, damit sie einen nicht dazu treiben, Dinge zu tun, die man später bereut, oder die in psychische Krankheiten münden? Und wie kann man seine seelische Stabilität und Abwehrkraft, die „Resilienz“, stärken?
Gefühlen Raum geben, den Austausch mit anderen suchen
„Zunächst wahrnehmen und anerkennen", rät Psychologin Bunz. „Gefühle werden immer kleiner, wenn man ihnen Raum gibt. Es hilft auch, Kontakt zu Menschen zu suchen, denen es ähnlich geht, und sich mit ihnen auszutauschen. Gemeinschaft ist grundsätzlich wichtig und wirkt stützend.“ Wenn die Angst sehr belastend und die eigene Lebensqualität stark beeinträchtigt sei, sollte man sich professionelle Hilfe suchen, rät die Psychologin.
Konkrete Auswege aus dem Gefühl der Hilflosigkeit
Hilfreich ist es demnach auch, die „Selbstwirksamkeit" zu stärken, indem man ins Handeln kommt und sich dabei spürt. „Dann habe ich das Gefühl, dass ich etwas tue“, erklärt Maxie Bunz. „Diese kleinen Taten sollte man dann würdigen und wertschätzen." Ein Beispiel: Der persönliche Umstieg aufs Rad wird den Klimawandel nicht aufhalten. Aber es ist ein Beitrag, etwas, das wir in der Hand haben. „Und das brauchen wir, um aus dem Gefühl der Hilflosigkeit herauszukommen“, sagt Psychologin Bunz. Zudem könne man sich überlegen, welche Menschen, Momente, Orte oder Tätigkeiten einem Halt und Sinn im Leben schenken – und dann „mehr davon machen“.