Kinderarzt: Wenn Kinder jetzt husten und Fieber bekommen, immer an COVID 19 denken

Kinder entwickeln nur sehr selten eine schwere COVID-19-Infektion mit Atembeschwerden oder Lungenentzündung. Aber sie können ansteckend sein – Foto: ©Oksana Kuzmina - stock.adobe.com
Kinder können sich mit dem Coronavirus infizieren und andere anstecken, so viel scheint klar zu sein. Ob sie tatsächlich die „Superspreader“ sind, weiß man noch nicht. Dennoch öffnen jetzt schrittweise wieder Schulen und Kindergärten. Prof. Thomas Müller, Direktor der Kinderklinik an der Universität Innsbruck, beantwortet fünf wichtige Fragen.
Kinder galten am Anfang der Covid-19-Pandemie als „Superspreader“. Hat sich diese Theorie bestätigt?
Thomas Müller: Das ist die brennende Frage, die uns alle interessiert, insbesondere vor dem Hintergrund der bevorstehenden schrittweisen Öffnung von Kindergärten und Schulen. Gesichert ist, dass über 90 Prozent der Infektionen bei Kindern asymptomatisch oder sehr mild verlaufen! Die Sorge ist, dass sich Kinder in der Schule unbemerkt infizieren, in weiterer Folge zu Hause Eltern und Geschwister infizieren könnten. Eine Voraussetzung für eine zusätzliche Verbreitung der SARS-CoV-2-Infektion in der Bevölkerung. Aber wie ansteckend sind infizierte Kinder für Erwachsene Kontaktpersonen tatsächlich? Eine Studie aus China hat mit statistischer Signifikanz gezeigt, dass Kinder aller Altersgruppen und Erwachsene die gleichen Infektionsraten in Haushalten hatten. Wir brauchen dringend weitere Studien in sogenannten Familien-Clustern in Regionen mit hoher Prävalenz von Infizierten. Die können wir durchführen, wenn wir verlässliche Antikörpertests vornehmen können, um auch asymptomatisch abgelaufene Infektionen in den Familien zu detektieren.
Könnten asymptomatische Kinder sogar ansteckender sein?
Thomas Müller: Wir wissen bisher nicht, ob asymptomatisch infizierte Kinder weniger oder mehr Viren über den Rachen ausscheiden als Erwachsene, so dass indirekte Schlüsse über deren tatsächliches Übertragungsrisiko nicht geliefert werden können. Cluster-Analysen in Familien und Haushalten sowie Studien über die Höhe der Viruslast im Rachen bei Kindern im Vergleich zu Erwachsenen könnten uns bereits in einigen Wochen diese wichtigen Antworten geben.
Kinder haben einen milden Verlauf, trotzdem wird in internationalen Medien auch von Todesfällen bei Kindern berichtet. Wie ist das zu erklären?
Thomas Müller: In der Medizin ist es meist so, dass etwas nicht zu 100 Prozent gilt. Wir wissen aber aus allen Studien bisher, dass Kinder viel seltener schwere Atembeschwerden entwickeln. Schwere Covid-19-Verläufe bei Kindern und Jugendlichen sind Einzelfälle. Warum das so ist, darüber gibt es bis jetzt nur Hypothesen und Spekulationen. Wir haben in der Kinderklinik in Innsbruck bisher nur zwei Kinder mit Covid-19 behandelt. Ein sieben Jahre altes Kind zählte sogar zu einer Hochrisikogruppe mit einer akuten Leukämie unter laufender Chemotherapie. Die Mutter war zuvor positiv getestet worden, und das immunsupprimierte Kind präsentierte sich mit Fieber. In beiden Fällen gab es erfreulicherweise einen sehr milden Verlauf.
Wenn mein Kind wieder in die Schule oder Kindergarten geht, worauf ist zu achten?
Thomas Müller: Wenn die Maßnahmen jetzt wieder schrittweile gelockert werden, sollten Eltern ihre Kinder sehr genau beobachten, ob sie Symptome entwickeln. Also: „Hat mein Kind eine rinnende Nase, Husten, ist es verkühlt, Fieber oder unspezifische Zeichen eines Infekts wie Abgeschlagenheit?“ Im Zweifelsfall, wenn es bei einem Kind Hinweise auf eine Infektion gibt, dann gilt als erste Maßnahme: Unbedingt zu Hause bleiben! Die Hauptinfektionszeit ist vorbei, daher wäre es aus meiner Sicht angezeigt, im Falle von diesen Symptomen großzügig Abstrichtests auf SARS-CoV-2 vorzunehmen, sobald ein Kind nur die geringsten Anzeichen eines Infektes zeigt.
Foto: © Adobe Stock/Oksana Kuzmina