Gentherapie für Bluter in Studie erfolgreich getestet

Hämophilie: Gentherapie könnte in ein paar Jahren einen Paradigmenwechsel einläuten
Früher war die Hämophilie eine tödliche Erkrankung. Noch in den 1950er Jahren sind die Patienten bei Operationen verblutet. Das Tückische: Blutungen können auch ohne äußeren Anlass auftreten. Seit der fehlende Blutgerinnungsfaktor ersetzt werden kann, können Bluter ein fast normales Leben führen. Nur fast, weil sich die meisten mehrmals pro Woche den Gerinnungsfaktor in die Vene spritzen müssen. Auch müssen die Patienten ihren Faktorspiegel im Auge behalten, besonders wenn sie Sport machen wollen oder körperlich sehr aktiv sind. Apps fürs Smartphone helfen neuerdings dabei, den Faktor besser zu kontrollieren. Trotzdem ist die Heimbehandlung ein Aufwand, auf den die Patienten gut und gerne verzichten würden.
Gerinnungsfaktor wird in der Leber gebildet
Seit Jahren wird darum an einer Gentherapie geforscht, die am zugrundeliegenden Gendefekt ansetzt und das lästige Spritzen ersetzen soll. Erstmals wurde eine solche Gentherapie nun erfolgreich an Patienten getestet, und zwar an zehn Männern mit einer Hämophilie B. Die Ergebnisse sind soeben im New England Journal of Medicine erschienen und klingen vielversprechend. Danach traten bei allen Patienten deutliche Verbesserungen auf. Neun der zehn Studienteilnehmer hatten nach der einmaligen Behandlung keine spontanen Blutungen mehr, acht brauchten keine zusätzlichen Gerinnungsfaktoren mehr und die anderen beiden Patienten nur noch sehr selten. Erhöhte Leberwerte traten bei zwei Patienten auf, ließen sich laut der Studienautoren jedoch gut behandeln. Ansonsten wurden keine ernsten Nebenwirkungen beobachtet.
Gentherapie wäre Paradigmenwechsel
Bei der jetzt untersuchten Gentherapie wurden die Erbinformationen für das defekte Gen mit Hilfe eines Adeno-Virus in die Leber geschleust. Anschließend war die Leber in der Lage, den Gerinnungsfaktor IX zu bilden. Die Therapie erfolgte per Infusion. Unklar ist derzeit noch, wie lange die Therapie wirkt und ob sie wiederholt werden muss.
Doch die Basis für eine wirksame Gentherapie ist gelegt: "Wir sind optimistisch, dass unsere Studie nur der Anfang eines echten Paradigmenwechsels bei der Behandlung von Hämophilie ist", erklären die Forscher um Lindsey George vom Children's Hospital of Philadelphia.
Hämophilie ist eine Erbkrankheit, die vor allem Jungen und Männer betrifft. Frauen sind zwar Überträgerinnen, erkranken aber nur in den seltensten Fällen selbst. Fehlerhafte Gene für die Blutgerinnungsfaktoren VIII oder IX liegen auf dem X-Chromosom; Frauen können den Defekt durch eine Gen-Kopie auf dem zweiten X-Chromosom weitgehend kompensieren, Männer mit ihrem Y-Chromosom nicht.
„Krankheit der Könige“
Hämophilie B wird auch „Krankheit der Könige“ genannt, weil zahlreiche europäische Adelshäuser davon betroffen waren, darunter das englische Königshaus und die russische Zarenfamilie. Diese Form ist allerdings eher selten. Die allermeisten Patienten leiden an einer Hämophilie A. Bei dieser Form wird der Gerinnungsfaktor VIII gar nicht oder nicht ausreichend gebildet, bei der Hämophilie B ist dagegen der Faktor IX betroffen. Beide Faktoren ermöglichen, dass das Blut bei Verletzungen gerinnt, also verklumpt. Ist dieser Prozess gestört, drohen Blutungen, schlimmstenfalls verbluten die Patienten.
Abhängig von der Faktoraktivität, unterscheidet man verschiedene Schweregrade. Während Gesunde eine Aktivität der Blutgerinnungsfaktoren von um die 100 Prozent haben, liegt sie bei einer leichten Hämophilie zwischen 5 bis 40 Prozent, bei mittelschwerer Hämophilie sind es 1 bis 5 Prozent und bei schwerer Hämophilie liegt die Faktoraktivität bei unter einem Prozent.
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