Haemoassist-App vereinfacht Hämophilie-Patienten das Leben

Passt auf jedes Smartphone: Das elektronische Substitutionstagebuch Haemoassist hat die Dokumentation und Therapieüberwachung bei Hämophilie sehr vereinfacht – Foto: Tanusha - Fotolia
Hämophilie, im Volksmund Bluterkrankheit, ist eine lebenslange Herausforderung: Schon kleinste Verletzungen oder Stürze können zu langanhaltenden Blutungen führen, so dass ein Patient im schlimmsten Fall sogar verbluten kann. Mindestens so gefürchtet sind Spontanblutungen, die vor allem in den Gelenken auftreten und diese langfristig zerstören können. Aber auch Hirnblutungen sind eine drohende Gefahr. Ursache für die erhöhte Blutungsneigung ist, dass den Patienten ein bestimmter Gerinnungsfaktor fehlt, der wichtig für eine normale und rasche Blutstillung ist. Aufgrund dieses genetischen Defekts müssen die Betroffenen den fehlenden Gerinnungsfaktor ein Leben lang ersetzen – entweder nur im Falle einer Blutung oder regelmäßig im Sinne einer vorbeugenden Faktorgabe (Prophylaxe).
Fortschritte in der Therapie
Mit einer prophylaktischen Behandlung gelingt die Substitution inzwischen so gut, dass Spontanblutungen weitgehend vermieden werden können. Dadurch sind auch Langzeitfolgen wie Arthrose bis zu Gelenkversteifungen, die früher schon bei jungen Hämophilie-Patienten die Regel waren, deutlich seltener geworden. Wesentlich zu diesem Fortschritt beigetragen hat das Konzept der sogenannten Heimselbstbehandlung, bei der die Patienten oder deren Angehörige nach einer entsprechenden Schulung die Gerinnungsfaktoren nach Vorgaben des behandelnden Arztes selbst in eine Vene zu injizieren. Im Falle einer Blutung können die Patienten so unmittelbar reagieren und müssen sich ansonsten nur zu regelmäßigen Kontrollen bei ihrem behandelnden Arzt vorstellen.
Dokumentation per App und Smartphone
Gemäß Transfusionsgesetz müssen die Patienten allerdings jede Injektion sowie auftretende Nebenwirkungen und Blutungsereignisse sorgfältig dokumentieren. Früher geschah dies mit Papier und Bleistift in einem sogenannten Substitutionstagebuch, heute gibt es das Patiententagebuch praktischerweise elektronisch. Rund 160 Hämophilie-Patienten machen mittlerweile von der Haemoassist-App Gebrauch, die in den einschlägigen App-Stores kostenlos aufs Smartphone heruntergeladen werden kann.
„Das elektronische Patiententagebuch hat nicht nur die Dokumentation für Hämophilie-Patienten erheblich vereinfacht, sondern auch die Therapieüberwachung verbessert“, berichtet Dr. Matthias Mahn, Mediziner und Hämophilie-Spezialist beim Pharmaunternehmen Pfizer. Selbst ältere Patienten machten von der Haemoassist-App zunehmend Gebrauch. Einmal weil sie extrem intuitiv zu bedienen sei – Barcode der Medikamentenpackung muss bloß abgescannt werden – zum anderen spiele der Sicherheitsaspekt eine große Rolle, so der Experte.
Bessere Therapiekontrolle
Durch die elektronische Datenübermittlung kann der behandelnde Arzt quasi in Echtzeit über auftretende Ereignisse seiner Patienten informiert werden und so auch den Therapieverlauf nachvollziehen. Beim nächsten Arztbesuch steht zudem automatisch die gesamte Dokumentation übersichtlich zur Verfügung und der Arzt kann in Abstimmung mit seinem Patienten eventuell Anpassungen vornehmen. Mit Zustimmung des Patienten gelangen die anonymisierten Daten aus der App schließlich verschlüsselt ans Deutsche Hämophilie Register und können dort wissenschaftlich ausgewertet werden. „Letztlich nutzt die Dokumentationspflicht jedem Patienten, weil Therapien so schneller und gezielter optimiert werden können“, sagt Matthias Mahn. Durch die elektronische Hilfe geschehe dies nun deutlich schneller und einfacher.
Prophylaxe ist heute Therapie der Wahl
Hämophilie ist eine seltene Erkrankung, die fast ausschließlich Männer trifft und in zwei Varianten auftritt: Bei der Hämophilie A wird der Gerinnungsfaktor XIII gar nicht oder nur unzureichend gebildet, bei der Hämophilie B ist der Faktor IX betroffen. Der A-Typ kommt deutlich häufiger vor. Während etwa einer von 5.000 bis 10.000 Einwohnern an Hämophilie A leidet, findet sich der B-Typ nur bei einem von 25.000 bis 30.000 Menschen.
Beide Hämophilie-Typen sind jedoch gut behandelbar. Die zu ersetzenden Gerinnungsfaktoren werden entweder aus menschlichem Blut gewonnen oder gentechnisch hergestellt. Anders als früher setzt man bei der Faktorensubstitution heute auf eine konsequente Prophylaxe, die angepasst an die Schwere der Erkrankung und den Lebensstil des Patienten regelmäßig verabreicht wird. Denn wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass eine frühzeitige prophylaktische Faktorengabe bessere Ergebnisse hinsichtlich der Verhinderung von Langzeitkomplikationen wie Gelenkschäden erzielt. „Hämophilie-Patienten sind heute in der Regel sehr gut über ihre Erkrankung informiert und können so im Dialog mit ihren Ärzten die für sie beste Substitutionsform entscheiden“, weiß Matthias Mahn, „entweder als Prophylaxe oder eben als Faktorgabe nur im Falle einer Blutung.“
Foto: © Tanusha - Fotolia.com