Genexpressionstests: Therapie bei Brustkrebs oft unnötigChemot

Brustkrebs: Experten schätzen, dass bis zu 15.000 Chemotherapien im Jahr überflüssig sind
Mit Hilfe so genannter Genexpressionstests können Ärzte heute bestimmen, ob Frauen mit Brustkrebs eine Chemotherapie benötigen oder ob eine Antihormontherapie ausreichend ist. Wie Ärzte auf dem Deutschen Krebskongress im Februar berichteten, könnten in Deutschland jedes Jahr rund 10.000 bis 15.000 unnötige Chemotherapien vermieden werden. Doch was in anderen europäischen Ländern – darunter England – längst Standard ist, muss in Deutschland hart erkämpft werden: Bislang sind gesetzliche Kassen nicht verpflichtet, die Kosten für den Test zu übernehmen. Verschiedene Kassen bewilligen allenfalls Einzelanträge. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat zwar unlängst einen entsprechenden Prüfungsantrag angenommen, doch eine kurzfristige Lösung für eine flächendeckende Erstattung der Tests scheint nicht in Sicht.
Genexpressionstest hilft, Übertherapien zu vermeiden
Bei Ärzten stößt die Situation in Deutschland auf Unverständnis. So zeigen etwa erste Ergebnisse der zurzeit größten deutschen Brustkrebsstudie ADAPT der Westdeutschen Studiengruppe (WSG), dass der Genexpressionstest Oncotype DX einem Großteil der Patientinnen die Chemotherapie und deren harte Folgen erspart bleiben können. Der Test wurde entwickelt, um die Frage zu beantworten, ob Patientinnen mit Östrogenrezeptor-positivem, HER2-negativen Brustkrebs zusätzlich zur Hormontherapie eine Chemotherapie benötigen oder darauf verzichten können, ohne dass sich ihre Prognose verschlechtert. Gleichzeitig bestimmt der Test das 10-.Jahres Rückfallrisiko.
Brustkrebsstudie: eine Übertherapie könnte viele Frauen erspart bleiben
An der Brustkrebsstudie ADAPT sind derzeit knapp 80 medizinische Einrichtungen in ganz Deutschland beteiligt. „Erste Ergebnisse der von uns durchgeführten ADAPT-Studie bestätigen, dass durch den Einsatz von Genexpressionstests und eine frühe individuelle Abschätzung der Effektivität der Antihormontherapie weit über 60 Prozent der Patientinnen, die zuvor als Frauen mit einem mittleren Rückfallrisiko eingestuft worden waren, auf eine Chemotherapie verzichten können“, erklärte Dr. med. Oleg Gluz, wissenschaftlicher Co-Leiter der Westdeutschen Studiengruppe auf dem Deutschen Krebskongress in Berlin. „Eine Übertherapie mit Chemotherapeutika und somit auch die starken Nebenwirkungen, wie Übelkeit, regelmäßiges Erbrechen oder Haarausfall, könnten vielen Patientinnen erspart bleiben.“
Mehr Lebensqualität – und weniger Kosten durch Genexpressionstest
Für die Brustkrebspatientin Nadine Lukanek war der Genexpressionstest eine wertvolle Entscheidungshilfe, die ihr zu mehr Lebensqualität verholfen hat. „Sie können sich gar nicht vorstellen, wie erleichtert ich war, als ich vom Oncotype DX-Test erfuhr. Mir konnte dadurch die Chemotherapie erspart bleiben, die mich sicherlich eine Menge Kraft, Gesundheit und Lebensfreude gekostet hätte“, sagte Nadine Lukanek in Berlin. „So konnte ich zum Beispiel den Alltag für meine kleine Tochter weiterhin in gewohnter Weise gestalten. Auch mental geht es mir seit der Entscheidung gegen die Chemo sehr viel besser.“
Dr. Claudia Gerber-Schäfer, Oberärztin am Vivantes Brustzentrum des Berliner Klinikums AmUrban, bedauerte, dass Genexpressionstests in Deutschland bislang keine Regelleistung der Kassen sind. Sie sprach sich für deren flächendeckenden Einsatz in Deutschland aus: „Warum soll ich meine Patientinnen übertherapieren und ihnen unnötige Nebenwirkungen einer Chemotherapie zumuten, wenn genomische Diagnostiktests ermitteln können, dass durch die Chemotherapie kein Nutzen zu erwarten ist?“, fragte die Brustkrebsexpertin.
Hersteller von Geneexpressionstests sehen unterdessen noch einen weiteren Nutzen: Die Kosten für den einen Genexpressionstest betragen rund 3.000 Euro. Eine Chemotherapie einschließlich der Behandlung ihrer Nebenwirkungen kann hingegen das Fünffache dieses Betrages schnell übersteigen. Am Ende könnten die Kassen durch den Test sogar noch Kosten sparen, so ihr Argument.
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