Forscher entwickeln neuartige Gen-Therapie gegen HIV

Funktionelle Heilung von HIV nicht ausgeschlossen: Eine Gen-Schere soll Immunzellen vor dem Eindringen des Aids-Virus schützen
Auf der Suche nach neuen Therapien gegen HIV haben Forscher des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) einen komplizierten, aber vielversprechenden Ansatz entwickelt. Mit einer Gen-Schere zerschneiden sie in menschlichen Immunzellen das Gen für einen bestimmten Rezeptor, den HI-Viren für die Infektion der Zellen benötigen. Durch diesen Eingriff werden AIDS-auslösenden am Eindringen in die Zellen gehindert. Salopp ausgedrückt heißt das: Die molekulare Schere schneidet an den Immunzellen einfach den Türgriff ab und die Zelle bleibt für die Viren verschlossen. In Laborversuchen klappte das Herausschneiden bei mehr als der Hälfte der Zellen, berichten die Forscher um UKE-Professor Boris Fehse in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift „Nucleic Acids Research“.
HIV-Therapieansatz: Gen-Knockout klappt bisher bei etwa der Hälfte aller Immunzellen
Die neue Gen-Schere „CCR5-Uco“ gehört zur Designer-Nuklease der zweiten Generation und soll effektiver arbeiten als die bislang in der Forschung verwendeten Enzyme. Noch wird der der neue Ansatz im Labor getestet und ist keine Option für Patienten. Forschungsgruppenleiter Fehse sieht aber weiteres Potenzial. „Sollten auch die laufenden präklinischen Studien die Sicherheit des Ansatzes bestätigen, sehen wir angesichts der hohen Effizienz, der Präzision und der relativ einfachen praktischen Anwendung ein hohes Potenzial für eine baldige klinische Testung“, sagte er. Die Viren am Eintritt in die Zelle zu hindern, sei eine der vielversprechendsten Strategien in der AIDS-Forschung. Profitieren könnten HIV-Infizierte von dieser Form der Gentherapie, indem ihnen Immunzellen entnommen und nach einer Manipulation wieder verabreicht werden. „Weitere positive Ergebnisse in den folgenden Studien vorausgesetzt, könnte dies im besten Fall schon in einigen Jahren möglich sein“, so Fehse.
Ohne CCR5-Rezeptor keine Infektion der Zelle möglich
Der neue Ansatz macht sich die Tatsache zu Nutze, dass HI-Viren bestimmte Moleküle auf der Oberfläche von Immunzellen, genauer von T- Helferzellen, als Eintrittspforte benötigen. Dabei ist unter anderem der so genannte Chemokin-Rezeptor CCR5 als Ko-Rezeptor essenziell. Fehlt dieser Rezeptor können die Viren nicht andocken. In den jetzt publizierten Versuchen führte das Schneide-Enzym „CCR5-Uco“ in mehr als 50 Prozent der T-Zellen zu einer Zerstörung des CCR5-Gens. Die Forscher sprechen von einem „Gen-Knockout.“
Um die molekularen Scheren in die T-Zellen zu bekommen, nutzen die Forscher eine synthetisch hergestellte Boten-RNA als Genfähre. Im Vergleich zu Viren, die mitunter als Gentransfer genommen werden, ist die Boten-RNA für die Patienten weniger gefährlich. „Die Boten-RNA s innerhalb der Zelle ist viel kurzlebiger als ein Virus und wird schneller wieder abgebaut“ erklärt AIDS-Forscher Fehse. „So lässt sich das Risiko unerwünschter Nebenwirkungen verringern, da Gefahr besteht, dass das Schneide-Enzym nach Erledigung seiner therapeutischen Aufgabe noch weitere Gene angreift.“
„Berliner Patient“ lieferte die Steilvorlage
Die nachträgliche Beseitigung des CCR5-Rezeptors hat bereits zur bislang ersten und einzigen Heilung eines HIV-Infizierten geführt. Der so genannte „Berliner Patient" hatte im Jahr 2008 Knochenmarkstammzellen von einem Spender transplantiert bekommen, bei dem CCCR5 defekt war. Bei dem Mann ist bis heute keine HIV-Infektion nachweisbar. Da eine Stammzelltransplantation jedoch enorme Risiken birgt, versucht man in Hamburg, die Genmanipulation auf andere Weise.
Der Kölner HIV-Forscher Professor Gerd Fätkenheuer vom Deutschen Institut für Infektionsforschung hält die Hamburger Laborversuche für viel versprechend, zweifelt indes an einer vollständigen Heilung. Seiner Ansicht können gentherapeutische Ansätze aber eines Tages dazu beitragen, das HI-Virus dauerhaft in Schach zu halten. Fätkenheuer: „Eine solche funktionelle Heilung ist auch bei HIV gut vorstellbar.“
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