Depressionen auch im Alter behandelbar

Lebenskrisen sind die häufigste Ursache für eine Altersdepression. Hilfe bieten Spezialeinrichtungen für Psychotherapie
Depressionen sind keine Frage des Alters. Rein statistisch treten Depressionen bei alten Menschen genauso häufig auf wie bei jungen. Allerdings werden depressive Symptome bei älteren oft als normale Alterserscheinung angesehen oder sie werden von körperlichen Beschwerden überlagert. Experten gehen davon aus, dass nur etwa 10 bis 20 Prozent der Altersdepressionen überhaupt diagnostiziert werden und nur ein Bruchteil davon adäquat behandelt wird. Das Deutsche Bündnis gegen Depressionen verweist etwa darauf, dass mit zunehmendem Alter die Suizidrate steigt und fordert, Depressionen im Alter genauso konsequent zu behandeln wie in jüngeren Jahren.
Depressionen im Alter werden oft nicht ernst genommen
Auch die Berliner Psychotherapeutin Dr. Nicole Bührsch rät älteren Menschen, wiederkehrende Stimmungstiefs ernst zu nehmen. „Niemand sollte aus Schamgefühlen oder dem Gedanken „da muss ich durch“ auf eine wirksame Behandlung verzichten“, sagt die ehemalige Charité-Wissenschaftlerin, die heute an der Fliedner Klinik Berlin arbeitet. Doch genau das Bagatellisieren sei typisch für die Generation 60 plus. Psychische Probleme würden oftmals unter den Teppich gekehrt, auch weil sie äußeren Ereignissen wie dem Tod eines nahestehenden Menschen, dem Ausscheiden aus dem aktiven Arbeitsleben oder einer körperlichen Erkrankung zugerechnet würden.
Derartige Lebenskrisen häufen sich mit dem Älterwerden und sind tatsächlich die häufigste Ursache einer Altersdepression. Die Anzeichen dafür sind vielfältig. Sie reichen von Niedergeschlagenheit, Müdigkeit und Energieverlust über innere Unruhe und Ängste bis hin zu wiederkehrenden Gedanken an den Tod. „Menschen im Alter müssen eine neue Rolle übernehmen“, erläutert Dr. Jürgen Ortmann, Leitender Psychologe an der Fliedner Klinik Berlin. „Je nachdem, wie gut oder schlecht ihnen diese Adaptionsleistung gelingt, kann eine behandlungsbedürftige Depression daraus entstehen.“
Kombinationstherapie hilft bei Altersdepression am besten
In der Berliner Ambulanz und Tagesklinik hat man sich speziell auf die Behandlung von älteren Menschen spezialisiert und setzt nach eingehender Diagnostik auf so genannte störungsspezifische Therapien. Meist handelt es sich um eine besondere Kombination aus Einzel- und Gruppentherapie, Entspannungs-und Bewegungstherapie, Achtsamkeitsübungen und Medikamenten. Ganz wichtig ist nach Auskunft von Jürgen Ortmann die Stärkung der persönlichen Werte. „Es geht darum herauszufinden, was dem Menschen einmal wichtig war und Wege zu finden, diese Werte auch in das „neue“ Leben zu integrieren.“ Hat etwa ein pensionierter Lehrer leidenschaftlich gerne Schülern etwas erklärt, sollte er dies auch im Alter fortsetzen, etwa durch ehrenamtliches Engagement oder in der Familie und im Freundeskreis.
Grundsätzlich unterscheidet sich die Depressionsbehandlung von älteren Menschen gar nicht so sehr von der Therapie jüngerer. Die Werkzeuge seien im Prinzip die gleichen, so dass niemand das Rad neu erfinden müsse, meint Psychotherapeut und Verhaltenstherapeut Ortmann. „Die vielfältig vorhandenen Psychotherapiemethoden wirken auch bei älteren Menschen so gut, dass in der Regel schon nach kurzer Zeit eine erhebliche Besserung eintritt.“
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