Depressionen: Fettsäuremangel an Serotoninrezeptoren möglicher Auslöser

Für Depressionen kommen vermutlich verschiedene Ursachen in Frage
Obwohl Depressionen weit verbreitet sind und eine schwere Erkrankung darstellen, sind die genauen molekularen Abläufe dabei noch unzureichend erforscht. Viele Untersuchungen deuten jedoch darauf hin, dass bei Betroffenen bestimmte Botenstoffe im Gehirn, sogenannte Neurotransmitter, aus dem Gleichgewicht geraten sind. Zu diesen Botenstoffen gehört das Serotonin. Forscher vom Institut für Neurophysiologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) haben nun festgestellt, dass ein Fettsäuremangel an den Serotoninrezeptoren zur Entstehung einer Depression beitragen kann. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse ihrer Studie im Fachmagazin „Nature Communications“.
Medikamente häufig ohne Wirkung
„Bisher ist die Behandlung von Depressionen leider sehr unspezifisch“, erklärt Studienleiter Professor Dr. Evgeni Ponimaskin. Medikamente, die den Serotoninspiegel erhöhen, zeigen bei etwa 30 bis 40 Prozent der Patienten gar keine Wirkung und haben oft schwere Nebenwirkungen. Mitunter verstärken sie das Krankheitsbild sogar.
Um die Mechanismen depressiver Störungen genauer zu ergründen, hat ein Team um Ponimaskin die Rolle der Fettsäure Palmitat im Hirnstoffwechsel untersucht. Dazu dienten ihnen Zellkulturen sowie die Untersuchung der Gehirne von Mäusen und Ratten. Dank einer Kooperation mit einer Psychiatrischen Klinik in den USA konnten die Wissenschaftler ebenfalls Gehirnproben von Suizidopfern analysieren, die unter Depressionen gelitten hatten.
Forscher entdeckten wichtiges Enzym
„In unserer Studie haben wir gezeigt, dass die natürlich vorkommende Modifikation des Serotoninrezeptors 5-HT1ARs mit der Fettsäure Palmitat für die physiologischen Rezeptorfunktionen unbedingt notwendig ist“, so Ponimaskin. Wenn diese Modifikation fehlt, kann der Rezeptor nicht mehr aktiviert werden.
Auch das zuständige Enzym, welches Palmitat auf den Rezeptor überträgt, haben die MHH-Forscher identifiziert. In zwei verschiedenen Nagetiermodellen konnten sie eine verringerte Expression dieses Enzyms sowie eine stark abgeschwächte Modifikation des 5-HT1AR mit dem Palmitat nachweisen. Wird das Enzym etwa im Vorderhirn von Mäusen selektiv ausgeschaltet, entwickeln die Tiere spontan ein sehr starkes depressionsähnliches Verhalten.
Auf der Suche nach Mechanismen, die die genetische Umsetzung des Palmitat-übertragenen Enzyms steuern, hat das Forscherteam in Kooperation mit Professor Dr. Dr. Thomas Thum, Leiter des MHH-Instituts Institut für Molekulare und Translationale Therapiestrategien, einige regulatorische Moleküle, sogenannte MicroRNAs, identifiziert. Diese waren im Gehirn von suizidalen Opfern deutlich häufiger zu finden als bei Gesunden, während gleichzeitig die Expression des Palmitat-übertragenden Enzyms sowie der Grad der Modifikation des 5-HT1ARs mit dem Palmitat verringert waren.
Hoffnung auf neue Therapieoptionen
„Als nächstes hoffen wir einen passenden Biomarker zu finden, um suizidales Verhalten früh identifizieren zu können“, erklärt Ponimaskin. In Zusammenarbeit mit Professor Dr. Kai Kahl, Geschäftsführender Oberarzt an der MHH-Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie, soll ein Bluttest entwickelt werden, der suizidale Neigungen bei depressiven Patienten frühzeitig zu erkennen hilft. Langfristig wollen Professor Ponimaskin und sein Team außerdem eine MicroRNA-basierte Therapie entwickeln, mit deren Hilfe Depressionen künftig spezifisch und erfolgreich behandelt werden können.
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