Auch sehr kleine Frühchen haben immer bessere Chancen

Frühgeborene haben heute immer bessere Überlebenschancen – Foto: ©CMP - stock.adobe.com
Immer mehr auch sehr kleine Frühchen überleben und haben Chancen auf eine gesunde Entwicklung. Das erklärt die Stiftung Kindergesundheit in einer aktuellen Mitteilung. Demnach hat sich die Sterblichkeit der Kinder, die mit einem Gewicht über 1.000 Gramm geboren wurden, in den letzten Jahren von zehn auf drei bis vier Prozent reduziert. Und auch die Folgen der zu frühen Geburt fallen heute geringer aus: Studien zufolge geht der Anstieg der Überlebensraten sehr unreifer Frühgeborener nicht – wie oft angenommen - mit einer höheren Rate neurologischer Beeinträchtigungen einher. Das bedeutet: Auch die Mehrzahl dieser winzigen und zerbrechlichen Geschöpfe wächst später zu gesunden jungen Menschen heran.
Zerebralparese besonders gefürchtet
Eine besonders gefürchtete Folge von Frühgeburten ist die Zerebralparese (CP), die gehirnbedingte spastische Bewegungsstörung, so die Stiftung Kindergesundheit. Bis vor kurzem wurde angenommen, dass sich die Rate der von CP betroffenen Kinder trotz Bemühungen der Neonatologen und Intensivmediziner nicht senken lässt. Das hat sich jedoch zum Positiven geändert, berichtete Professor Dr. Ingeborg Krägeloh-Mann, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin.
Probleme vor allem bei extrem niedrigen Gewicht
Problematischer kann es werden, wenn Frühgeborene weniger als 1.500 Gramm auf die Waage bringen. Diese Hochrisiko-Frühgeborenen, die den schützenden Mutterleib meist schon vor der 32. Schwangerschaftswoche verlassen mussten, werden als „sehr kleine Frühgeborene“ („very low birth weight“, VLBW) bezeichnet. Einer Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der Ortskrankenkassen (WIdO) liegt die Überlebenschance der VLBW mit einem Geburtsgewicht von 750 bis 1500 Gramm bei 96 Prozent, für Babys mit einem extrem niedrigen Gewicht von unter 750 Gramm bei 65 Prozent.
Einer Studie der Charité zufolge zeigten 71,1 Prozent der Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht von unter 1500 Gramm vor ihrer Einschulung eine normale Entwicklung, 15,7 Prozent lagen im Bereich einer Lernbehinderung und 8,4 Prozent im Bereich einer geistigen Behinderung (Charité: Klinik für Neonatologie - Jahresbericht 2018).
Sehstörungen häufig
Auch Sehstörungen gehören zu den möglichen Folgen einer Frühgeburt. Frühchen mit einem extrem niedrigen Geburtsgewicht von unter 750 Gramm haben ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko, an einer schwerwiegenden Sehstörung zu erkranken. Sie schielen häufiger, sind öfter stark kurzsichtig und leiden öfter unter einer Minderung der Sehschärfe und unter Gesichtsfelddefiziten. Sehr häufig werden auch Störungen der taktilen oder vestibulären Wahrnehmung berichtet: VLBW-Kinder stolpern häufiger über die eigenen Füße oder schaukeln und balancieren ungern.
Probleme beim Essen möglich
Die Eltern von sehr kleinen Frühgeborenen müssen sich auch auf Fütterungsschwierigkeiten einstellen. Die Kinder essen nur sehr langsam und nur kleine Portionen. Sie vermeiden Nahrungen mit unterschiedlicher Konsistenz oder essen nur, wenn sie abgelenkt werden.
Sehr kleine Frühchen werden erst spät sauber, obwohl dafür keine organischen Ursachen erkennbar sind. Sie haben anscheinend Probleme, die volle Blase zu spüren. Viele kleine Frühchen tragen noch mit vier bis fünf Jahren Tag und Nacht Windeln und viele werden noch bis fünf oder sechs Jahre nachts gewickelt.
Die Stiftung Kindergesundheit rät, Frühchen nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus in neonatologischen Nachsorgeambulanzen zu betreuen, damit sie ihre Fähigkeiten optimal entfalten können. Auch Eltern brauchen Unterstützung und eine spezielle, oft sehr zeitaufwändige Beratung.
Versorgungsqualität gewährleisten
„Die Behandlung von Frühgeborenen stellt eine besondere therapeutische Herausforderung dar“, sagt Professor Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit: „Die Sicherstellung einer guten Versorgungsqualität ist dabei von großer Bedeutung. Derzeit stehen viele Kinderkliniken jedoch vor großen Schwierigkeiten, weil das nicht für Kinder ausgelegte deutsche Fallpauschalensystem die wirklich entstehenden Kosten nicht deckt und dadurch eine sachgerechte Versorgung gefährdet. Ein großes Problem ist fehlendes Personal, ganz besonders in der Pflege. Dadurch werden die beeindruckenden Erfolge auch der Neonatologie in Frage gestellt“.
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