Aspirin vorbeugend als Gefäßschutz einzunehmen kann sogar schaden

Für einige Patienten kann die prophylaktische Einnahme von Aspirin sogar einen ungünstigen Effekt haben – Foto: ©Irin Fierce - stock.adobe.com
Nach einem Schlaganfall oder einem Herzinfarkt wird den Patienten oft Aspirin verordnet, um einem erneuten Gefäßverschluss entgegenzuwirken. Ob die Gabe des Blutverdünners auch in der Primärprävention sinnvoll ist - also bei Menschen, die noch kein kardiovaskuläres Ereignis erlitten haben - ist dagegen umstritten.
Forscher um Dr. Thorsten Keßler vom Deutschen Herzzentrum München haben nun einen genetischen Risikofaktor identifiziert, der mit darüber entscheidet, ob Aspirin als vorbeugender Gefäßschutz wirksam ist - oder ob es sogar schaden kann.
Genetische Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen die Todesursachenstatistik in den Industrienationen seit Jahren an. Mittlerweile sind einige genetische Faktoren bekannt, die das Risiko für Atherosklerose, Herzinfarkte und Schlaganfälle erhöhen können. Einen dieser Faktoren, eine als rs7692387 bezeichnete genetische Variante im Erbgut, konnte Kessler bereits in früheren Studien beleuchten.
Die von Keßler und seinen Kollegen identifizierte Risikovariante führt über mehrere Zwischenschritte dazu, dass gefäßschützende Reaktionen nur abgeschwächt ablaufen. Unter anderem fällt die durch Stickstoffmonoxid vermittelte Hemmung der Blutgerinnung deutlich geringer aus, sodass Thrombozyten (also die Blutplättchen) sich leichter zu Blutpfropfen zusammenlagern.
Patienten mit und ohne Risikovariante
Diese Beobachtung führte Keßler und seine Kollegen zu der Frage, ob Träger der Risikovariante - das sind in Westeuropa immerhin 63 Prozent der Menschen - womöglich von einer Primärprävention mit Aspirin profitieren, das bekanntermaßen die Thrombozytenaggregation hemmt. Für die Allgemeinbevölkerung hatten mehrere große Studien einen solchen Nutzen von Aspirin bislang nicht belegen können.
In Kooperation mit Wissenschaftlern der Harvard Medical School in Boston unterzogen die Münchener Mediziner zwei dieser Studien - die Women's Health Study und die Physician's Health Study - einer erneuten Analyse, wobei sie Träger der Risikovariante und Teilnehmer mit der Nichtrisikovariante gesondert betrachteten.
Aspirin vorbeugend als Gefäßschutz einzunehmen kann sogar schaden
Ergebnis: Menschen mit der Risikovariante von rs7692387 profitierten deutlich von der Aspirineinnahme; ihr Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse sank um 21 Prozent. Für Träger der Nichtrisikovariante zeigte sich der gegenteilige Effekt. Ihr Risiko stieg um 39 Prozent an. Aspirin vorbeugend als Gefäßschutz einzunehmen kann bei einigen Menschen also sogar schaden.
Die Forschungsarbeit wurde mit dem Präventionspreis der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) ausgezeichnet. Laut Prof. Georg Ertl, Generalsekretär der DGIM aus Würzburg, mache die Untersuchung deutlich, dass präventive – ebenso wie kurative - Ansätze nicht für alle Patienten gleich sinnvoll seien. Weitere Untersuchungen müssten nun zeigen, ob der Effekt des von Keßler identifizierten Risikofaktors sich auch in prospektiven Studien bestätigen lasse.
Foto: Adobe Stock/Irin Fierce