
In Deutschland wird die Schutzimpfung gegen Polio in den ersten beiden Lebensjahren empfohlen – Foto: ©Syda Productions - stock.adobe.com
Eine Einschleppung von Polioviren nach Deutschland durch Reisen, Migration oder Flucht kann nicht ausgeschlossen werden. Daher ist die Impfung nach wie vor wichtig. Doch die Impfquote liegt zu niedrig, meldet das Robert Koch-Institut zum Welt-Polio-Tag am 28. Oktober.
Die Ständige Impfkommission empfiehlt insgesamt vier Impfdosen innerhalb der ersten zwei Lebensjahre. Die Impfquote bei den Schulanfängern betrug zuletzt 92,9 Prozent und lag damit unter dem von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geforderten Ziel von 95 Prozent.
Zu wenig Kinder gegen Polio geimpft
"Die Impfquoten sind zu niedrig", sagte Sabine Diedrich, Leiterin des Nationalen Referenzzentrums für Poliomyelitis und Enteroviren am RKI, der Agentur dpa. In den vergangenen drei Jahren wurde in Deutschland ein leichter, aber deutlicher Abfall der Polio-Impfraten registriert.
Daher sind zu wenig Kinder gegen Polio geimpft. Ein Prozent weniger im Jahr klinge nicht viel, ergänzte Diedrich. "Ein Geburtsjahrgang umfasst in Deutschland aber rund 700.000 Kinder. Wenn 7 Prozent nicht geimpft sind, heißt das, dass pro Jahr fast 50.000 Kinder nicht mehr gegen Polio geschützt sind."
Polio: Wildvirustyp 3 ist ausgerottet
Bis 2018 wollte die WHO Polio (Poliomyelitis, auch Kinderlähmung genannt) weltweit ausgerottet haben. Doch noch zirkulieren Polio-Wildviren Typ 1 und vakzineassoziierte Polioviren (cVDPV). Nun wird das Jahr 2023 als neue Zielmarke anvisiert.
Immerhin sei der Wildvirustyp WPV Typ 3 von der Weltkarte verschwunden, meldet die Organisation. Dieser Serotyp wurde seit 2012 weltweit nicht mehr nachgewiesen.
Polio-Ausbrüche durch vakzineassoziierte Viren
Besonders besorgniserregend sei aber die Zunahme von Polioausbrüchen, die durch vakzineassoziierte Polioviren Typ 2 (cVDPV2) hervorgerufen werden. Hintergrund: In Europa wird fast durchgehend mit dem Totimpfstoff geimpft, der keine Nebenwirkungen hat. In Entwicklungsländern wird meist mit einem Lebendimpfstoff geimpft. Dabei kann das im Impfstoff enthaltene Virus in seltenen Fällen mutieren und zu einer Erkrankung des Geimpften oder von Kontaktpersonen führen.
Ausgehend von Nigeria verbreiteten sich diese Viren nach Niger, Kamerun, Benin und Ghana. Auch Angola und die Demokratische Republik Kongo sind von cVDPV2-Fällen betroffen. Des Weiteren wurden im September 2019 auch auf den Philippinen, die seit vielen Jahren poliofrei waren, cVDPV2 und cVDPV1 nachgewiesen.
Abwassertests als Frühwarnsystem
Nun soll ein neuer, genetisch stabilerer Impfstoff entwickelt werden. Zusätzlich soll in den nächsten Jahren (insbesondere in den endemischen Ländern) die Abwassertestung als Frühwarnsystem einer Polioviruszirkulation ausgebaut werden.
Der Wildvirustyp WPV Typ 1 kommt nur noch in Pakistan und Afghanistan vor. Doch die Bekämpfung stößt in beiden Ländern auf Hindernisse. Die Behinderung von Impfkampagnen durch Impfgegner und Angriffe auf Impfhelfer erschweren die Lage in Pakistan. Die sich zunehmend verschlechternde Sicherheitslage erhöhen in Afghanistan das Risiko größerer Ausbrüche. Seit März 2019 wurden dort circa fünf Millionen Kinder nicht geimpft.
Foto: syda productions/fotolia.com