Zu viele Dekubitus-Fälle und Klinik-Einweisungen in Pflegeheimen

Zwischen deutschgen Pflegeheimen gibt es große Qualitätsunterschiede bei der medizinischen Versorgung – Foto: ©bilderstoeckchen - stock.adobe.com
Die Zahl der Antipsychotika-Verordnungen, Dekubitus-Fälle und vermeidbaren Krankenhaus-Einweisungen ist in vielen Pflegeheimen zu hoch. Das zeigt eine aktuelle Analyse, die das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) im Rahmen des Pflege-Reports 2018 durchführte. Der beschäftigt sich mit "Qualität in der Pflege" und macht die teils gravierenden Qualitätsunterschiede zwischen den Pflegeheimen deutlich.
Für den Report hat das WIdO Kennzahlen zur pflegerischen und gesundheitlichen Versorgung in Pflegeheimen berechnet. Auch der ärztliche Versorgungsgrad sowie Harnwegsinfekte wurden gemessen. Grundlage waren Abrechnungsdaten von AOK-versicherten Pflegebedürftigen aus rund 5.600 Pflegeeinrichtungen.
Mehr als 12 Dekubitus-Fälle auf 100 Heimbewohner
Je 100 Heimbewohner treten jährlich im Durchschnitt 8,5 neue Dekubitus-Fälle auf. Das auffälligste Viertel der Heime mit 12 oder mehr Fällen hatte damit dreimal so viele Fälle wie das Viertel der Heime mit den niedrigsten Raten.
"Zwar muss die unterschiedliche Risikostruktur der Pflegeheimbewohner berücksichtigt werden", so Dr. Antje Schwinger, Leiterin des Forschungsbereichs Pflege im WIdO und Mitherausgeberin des Reports. Allerdings gebe es bewährte Standards in der Dekubitus-Prophylaxe. Experten gehen davon aus, dass das Auftreten eines Dekubitus bei entsprechender Pflege meist verhindert werden kann.
Demenzkranke erhalten dauerhaft Antipsychotika
Ein weiteres Ergebnis: 41 Prozent der Demenzkranken im Pflegeheim erhalten mindestens einmal pro Quartal ein Antipsychotikum. Dabei verstößt die dauerhafte Gabe von Antipsychotika an Demenzkranke gegen medizinische Leitlinien. Im auffälligsten Viertel der Pflegeheime sind es so viele, dass statistisch gesehen jeder Bewohner mit Demenz in zwei Quartalen eine Antipsychotikaverordnung erhält. Damit liegt diese Rate um das 1,5-fache höher als beim Viertel der Heime mit den niedrigsten Werten.
Viele Krankenhauseinweisungen wären vermeidbar
Krankenhausaufenthalte können für die in der Regel hochbetagten, kognitiv eingeschränkten Menschen im Pflegeheim selbst zu einem Gesundheitsrisiko werden. Die Auswertungen des WIdO zeigen, dass jeder fünfte Pflegeheimbewohner innerhalb eines Quartals ins Krankenhaus eingewiesen wird. Gleichzeitig gelten 40 Prozent dieser Einweisungen in Fachkreisen als potenziell vermeidbar. Bei einer besseren ambulant-ärztlichen Versorgung wären sie zum Teil gar nicht notwendig.
"Selbst wenn nicht alle Fälle von Krankenhauseinweisungen tatsächlich vermeidbar sind - die breite Ergebnisspanne zwischen den Pflegeheimen wirft auch hier Fragen auf", betont Schwinger. Pro Jahr summieren sich die so genannten ambulant-sensitiven Krankenhausfälle durchschnittlich auf 32 Fälle pro 100 Bewohner. Die fünf Prozent der Heime, die am auffälligsten sind, haben doppelt so hohe Raten wie der Durchschnitt. Dort sind es 63 Fälle pro 100 Bewohner.
Zu viele Dekubitus-Fälle und Klinik-Einweisungen in Pflegeheimen
Um die Defizite abzustellen, ist aus Sicht der Pflege-Expertin Schwinger mehr Transparenz über das tatsächliche Versorgungsgeschehen erforderlich. Dadurch gewonnene Kennzahlen könnten dann dabei helfen, den Erfolg von Maßnahmen, zum Beispiel eine regelmäßige Überprüfung der Medikation oder die verbesserte Zusammenarbeit der Pflegeheime mit Ärzten, zu messen und zu bewerten.
Für die Betroffenen sei entscheidend, dass bessere Qualität dann auch bei den Pflegeheim-Bewohnern ankomme - und so die Zahl der Dekubitus-Fälle und Klinik-Einweisungen verringere. Wer für schlechte Ergebnisse eines Pflegeheims verantwortlich ist, ob Pflegekräfte, Pflegeheimleitung oder Ärzte, sei nachrangig. "Hier müssen wir gemeinsam Verantwortung tragen", so Schwinger.
Qualität der vollstationären Pflege besser messbar machen
Mit Hilfe von Abrechnungsdaten der Kranken- und Pflegekassen will das WIdO ein pflege- und gesundheitsbezogenes Indikatorenset für die vollstationäre Pflege entwickeln. Damit solle ein erweitertes Instrumentarium der Qualitätsmessung erschaffen werden. Der neu aufgestellte Pflege-TÜV wird die gesundheitliche Versorgung der Pflegebedürftigen in den Pflegeheimen weiterhin nicht abbilden.
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