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Wie Medikamente gegen Angst wirken: Forscher entdecken „Hot-Spot“ im Gehirn

Mittwoch, 12. Dezember 2018 – Autor: anvo
Benzodiazepine sind wirksam bei Angststörungen, haben jedoch erhebliche Nebenwirkungen und ein großes Suchtpotenzial. Forscher suchen daher nach Alternativen, müssen dazu jedoch die genauen Wirkungsmechanismen der Medikamente entschlüsseln. Hier ist nun ein wichtiger Schritt gelungen.
Angststörungen, Benzodiazepine

Angsterkrankungen wie Agoraphobie, soziale Phobie oder die Generalisierte Angststörung sind weit verbreitet

Viele Menschen sind von dauerhaften oder akuten Angststörungen betroffen. Für ihre Behandlung steht eine Reihe von Psychopharmaka zur Verfügung, unter anderem die Benzodiazepine. Sie werden insbesondere in der Akuttherapie von Angszuständen häufig verschrieben, da sie schnell und effektiv wirken. Allerdings bringen sie verschiedene, zum Teil schwere Nebenwirkungen mit sich, wie starke Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Stürze und eine schnelle Abhängigkeits-Entwicklung.

Um neue Medikamente entwickeln zu können, die ähnlich gut gegen Ängste wirken, aber weniger starke Nebenwirkungen haben, untersuchen Forscher schon seit längerem die genauen Wirkungsmechanismen der Psychopharmaka. Auf molekularer und zellulärer Ebene sind diese bereits weitgehend entschlüsselt, doch noch wissen Mediziner wenig über die Wirkung, die auf neuronaler Ebene ausgelöst wird. Ein Team von Wissenschaftlern um Dr. Wulf Haubensak vom Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien und Prof. Dr. Andreas Hess von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) konnte nun einen neuronalen Kreislauf im Gehirn identifizieren, der eine wichtige Rolle bei Angstzuständen spielt. Die Ergebnisse ihrer Studie veröffentlichten sie in der Fachzeitschrift Molecular Psychiatry.

Benzodiazepine stören Weiterleitung neuronaler Signale

„Angst entsteht aus dem Zusammenspiel mehrerer Kreisläufe im Gehirn. In diesem Netzwerk haben wir einen entscheidenden biomedizinischen ‚Hot-Spot‘ identifiziert, der der angstlösenden Therapie zugrunde liegt ", sagt Dr. Haubensak. „Diesem Hotspot auf die Spur zu kommen, war nur möglich, indem Erkenntnisse über die Verbindungen von Neuronen im Gehirn, dem Konnektom, mit genetischen Techniken kombiniert wurden, die die funktionale Visualisierung und Manipulation bestimmter Neuronenpopulationen im Tiermodell ermöglichen – Methoden und Informationen, die dies ermöglich, stehen erst seit kurzem zur Verfügung.“

Die Wissenschaftler verglichen ihre an Mäusen gewonnenen Erkenntnisse mit funktionellen menschlichen Gehirnscans und fanden Hinweise darauf, dass die gleichen Mechanismen auch beim Menschen wirksam sind. Unter anderem konnten sie zeigen, dass Benzodiazepine die Weiterleitung aversiver Signale durch die Amygdala stören. Die Amygdala, auch bezeichnet als Mandelkern, ist Teil des limbischen Systems. Ihr wird eine große Rolle bei der Entstehung und Verarbeitung von Angst, aber auch von Aggressionen zugesprochen.

Wirkungsweise von psychoaktiven Medikamenten besser verstehen

Prof. Hess, Mitautor der Studie, betont die Wichtigkeit der funktionellen Bildgebung des Gehirns: „Nichtinvasive Bildgebung wie die Magnetresonanztomografie ist der Schlüssel für die Untersuchung neurobiologischer Funktionen auf der gesamten Gehirnebene. Wir haben dies mit neuartigen Datenanalyse-Strategien kombiniert, um die modulatorischen Auswirkungen kleiner neuronaler Schaltkreise zu charakterisieren, die eine wichtige Gehirnfunktion ausmachen – in diesem Fall Angst.“

„Da wir nun die exakten Netzwerke von Neuronen kennen, die den anxiolytischen Effekt von BZD vermitteln, können wir jetzt versuchen, sie gezielt zu erreichen. Dies könnte die Entwicklung neuer Medikamente zur Behandlung von Angstzuständen ermöglichen, ohne die Nebenwirkungen, die bei derzeitigen Anxiolytika üblich sind “, sagt Johannes Griessner, Doktorand und Erstautor der Studie und fügt perspektivisch an, wie die Ergebnisse in weiteren Studien verwendet werden könnten: „Die Psychiatrie benötigt eine starke biologische Basis, die gezielte therapeutische Interventionen ermöglicht. Unser Ansatz könnte als Blaupause für eine experimentelle Strategie dienen, mit der die Auswirkungen psychoaktiver Medikamente im Allgemeinen besser charakterisiert werden können. “

Foto: © terovesalainen - Fotolia.com

Hauptkategorie: Medizin
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